Explosionen in Polen
Russische Raketen sollen unweit der Grenze zur Ukraine eingeschlagen sein. Präsident Selenskyj sprach von einem Angriff auf das Nachbarland, Moskau dementierte. Außenministerin Baerbock zeigte sich betroffen.
einem Einschlag russischer Raketen in Polen sind unbestätigten Medienberichten zufolge am Dienstag zwei Menschen ums Leben gekommen. Der polnische HörfunkSender ZET berichtete, zwei verirrte russische Raketen seien in Przewodów nahe der Grenze zur Ukraine niedergegangen. Die Nachrichtenagentur AP meldete unter Berufung auf US-Geheimdienstkreise ebenfalls, bei dem Einschlag russischer Raketen seien zwei Menschen getötet worden. Das US-Verteidigungsministerium teilte mit, die Berichte über den angeblichen Einschlag zu prüfen. Ein Vertreter der polnischen Feuerwehr bestätigte unterdessen zwei Tote bei einer Explosion. „Es ist unklar, was geschehen ist“, sagte der diensthabende Beamte.
Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki berief wegen einer nicht näher bezeichneten Krisensituation eine Sitzung des Sicherheitsrates seines Landes ein.
Das meldete die Nachrichtenagentur PAP. Am späten Abend erklärte Regierungssprecher Piotr Muller, Polen versetze sein Militär in erhöhte Bereitschaft. Seine Regierung prüfe, ob sie Artikel 4 der Nato-Charta in Kraft setzen müsse. Zu dem Vorfall an der Grenze zur Ukraine erklärte Muller, es habe eine Explosion gegeben, bei der zwei polnische Bürger ums Leben gekommen seien. Die Beantwortung weiterer Fragen lehnte Muller ab. Artikel 4 besagt, dass die Nato-Mitglieder einander konsultieren, wenn etwa die Sicherheit eines Mitglieds bedroht ist.
Die Nato will die Berichte über die Ereignisse in Polen prüfen. Der geschäftsführende Außenminister des Nato-Mitglieds Dänemark, Jeppe Kofod, bezeichnete den Vorfall auf Twitter als sehr besorgniserregend. „Wir stehen in engem Kontakt mit Polen und unseren anderen Verbündeten in der Nato.“Es wäre der erste Zwischenfall dieser Art in dem seit fast neun Monaten andauernden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Polen ist Mitglied der EU und der
Nato. Regierungssprecher Piotr Müller warnte allerdings davor, ungeprüfte Informationen zu verbreiten.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj legte sich dagegen fest: Es seien russische Raketen gewesen, die Polen getroffen hätten. Die Ukraine habe seit Langem davor gewarnt, dass sich die russischen Aktionen nicht auf die Ukraine beschränken würden.
Das russische Militär wies Berichte über den Absturz angeblich russischer Raketen auf ein polnisches Dorf als „gezielte Provokation“zurück. Es seien keine Ziele im ukrainisch-polnischen Grenzgebiet beschossen worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Dienstagabend mit. Auch die in polnischen Medien verbreiteten Fotos angeblicher Trümmerteile hätten nichts mit russischen Waffensystemen zu tun, hieß es.
Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock zeigte sich betroffen. „Meine Gedanken sind bei Polen, unserem engen Verbündeten und Nachbarn“, schrieb die GrünenPolitikerin auf Twitter. „Wir beobachten die Situation genau und stehen in Kontakt mit unseren polnischen Freunden und Nato-Verbündeten.“Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags, MarieAgnes Strack-Zimmermann (FDP) aus Düsseldorf, schrieb auf Twitter, der Kreml müsse sich „umgehend erklären“.
Russland hatte am Dienstag Dutzende
Ziele in der Ukraine mit Raketen angegriffen. Die ukrainische Luftwaffe berichtete von bis 100 Geschossen. Es war ukrainischen Militärangaben zufolge der bislang massivste Angriff auf die Infrastruktur seit Kriegsbeginn. Etwa sieben Millionen Haushalte saßen den Behörden zufolge zeitweise im Dunkeln.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba verlangte, die in Indonesien tagende G20-Gruppe führender Wirtschaftsmächte solle die Angriffe auf die Ukraine verurteilen. Die US-Regierung tat dies auch umgehend: „Während die Staatsund Regierungschefs der Welt auf dem G20-Gipfel auf Bali zusammenkommen, um Fragen zu erörtern, die für das Leben und Auskommen der Menschen auf der ganzen Welt von großer Bedeutung sind, bedroht Russland erneut diese Leben und zerstört die kritische Infrastruktur der Ukraine“, teilte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, mit.
mit rtr/dpa/ap
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