Handel protestiert gegen Demonstrations-Flut
Eine ungewöhnlich hohe Zahl an Kundgebungen blockiert den Verkehr. Der Einzelhandel fürchtet um sein Weihnachtsgeschäft.
DÜSSELDORF Der Düsseldorfer Handel sieht sein Weihnachtsgeschäft durch die Flut von Demonstrationen gefährdet. Düsseldorf ist derzeit Schauplatz von einer auch für die Landeshauptstadt ungewöhnlichen Menge an Aufzügen – die vor allem an Samstagen immer wieder den Verkehr lahmlegen. Der Handelsverband NRW hat Brandbriefe an Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) und Polizeipräsident Norbert Wesseler verschickt. Die Händler fürchten um ihr Geschäft in der umsatzstärksten Zeit des Jahres, da sich weitere Großdemonstrationen an allen Wochenenden bis zum Jahresende abzeichnen.
Düsseldorf gilt durch seine Rolle als Sitz der Landesregierung ohnehin als Demonstrations-Hauptstadt in NRW. Die angespannte weltpolitische Lage und der Protest gegen die Corona-Politik sorgen derzeit dafür, dass noch mehr Veranstaltungen ausgerichtet werden. Ein Polizeisprecher bestätigt auf Anfrage ein „Langzeithoch“. Allein für diesen Samstag – den ersten nach dem Start der Weihnachtsmärkte – sind bereits neun Demonstrationen angemeldet, darunter drei stationäre Kundgebungen und sechs Aufzüge, die eine Route laufen wollen. Mit 3000 erwarteten Teilnehmern ist ein Protest gegen das Regime im Iran die größte Demonstration, dazu kommen unter anderem Aufrufe mit Bezug zu Ukraine, Kurden, Corona und dem vom Braunkohleabbau bedrohten Dorf Lützerath.
Die Folge sind erhebliche Einschränkungen für den Verkehr – die auch anreisende Kunden für den Handel ausbremsen. „Wenn die Demonstrationen anfangen, ist unser Geschäft vorbei“, sagt etwa Heiner Röckrath, Geschäftsführer des Carlsplatzes. In der Corona-Zeit habe sich das Problem verschärft, da sei nahezu jedes Wochenende belastet gewesen. Da die Demos den Verkehr in der Innenstadt lahmlegten, herrsche östlich und südlich des Carlsplatzes Dauerstau. „Das alles ist für uns ein Riesenproblem“, sagt Röckrath. „Wir resignieren.“
Frank Hermsen, City-Manager, Geschäftsführer der Altstadtgemeinschaft und für das Forum Stadtmarketing im Einsatz, ist schon am vergangenen Samstag bei Aufbau der Weihnachtsmarktstände kaum mit dem Auto zum Rathaus gekommen. „Das wird eine Katastrophe“, befürchtet er für die kommenden Wochenenden. Das Demonstrationsrecht
sei durch die Verfassung geschützt, was er für richtig halte, aber die Vielzahl der Aufzüge könne zu mehr als nur Behinderungen führen. „Ich befürchte, dass unsere zivile Grundordnung nicht mehr funktionieren könnte.“So wie jüngst in Berlin ein Einsatzfahrzeug nicht mehr durchgekommen sei, könne es auch in Düsseldorf zu schwerwiegenden Komplikationen kommen.
Oftmals ziehen die Demonstrationszüge auch durch Unterbilk. Liesel Reich betreibt dort eine Boutique
und empfindet die Demos immer wieder als geschäftsschädigende Belastung. „Das vertreibt unsere Kunden“, sagt sie. Diejenigen, die schon vorher davon erfahren hätten, kämen gar nicht erst, alle anderen ergriffen spätestens die Flucht, sobald die „grölenden Demonstranten lautstark nicht nur durch die Straßen, sondern oft auch über die Bürgersteige ziehen“. Auch die Polizei wirke auf viele abschreckend. „Ich verstehe nicht, warum man die Demonstrationen nicht anders verteilen und durch andere Straßen führen kann“, sagt Reich.
Der Handelsverband verweist darauf, dass die kommenden Wochen große Bedeutung für das Geschäft haben. In vielen Sortimentsbereichen machen die Monate November und Dezember bis zu 40 Prozent des Jahresumsatzes für die durch Corona ohnehin getroffene Branche aus. Der Verband fordert, dass die politisch Verantwortlichen etwa durch die Festlegung der Demonstrationswege eingreifen. Die Aussichten sind aber offenbar schlecht. Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) sagt, er teile die Sorgen „zu hundert Prozent. Die Demonstrationen sind eine massive Belastung für Stadt und Handel.“Leider habe die Stadt keinerlei Einfluss. Die Demos seien ausschließlich Sache der Polizei, die bei den Kooperationsgesprächen mit den Anmeldern über Routen und Uhrzeiten spreche. Das deutsche Versammlungsrecht sei sehr demonstrationsfreundlich, so Keller, aber er frage sich auch, ob die Demokratie gefährdet sei, wenn ein Umzug mal nur über die Theodor-Heuss- statt der Oberkasseler Brücke ziehen dürfe oder eine Versammlung auf einer Rheinwiese stattfinde statt in der Innenstadt.
Die Polizei sieht kaum Möglichkeiten. Ein Sprecher verweist darauf, dass das Versammlungsrecht durch das Grundgesetz geschützt sei. „Die vielen Demonstrationen sind Zeichen für eine lebendige Demokratie.“Entsprechend gering seien die Einflussmöglichkeiten.