Über Romantik und Sklaverei
Mithu Sanyal stellt im Zakk ihr Buch über das Leben von Emily Brontë und vor.
DÜSSELDORF Wer Literatur liebt, hat oft ein Buch, das ihn über viele Jahre begleitet. Auch Mithu Sanyal hat so ein Lebensbuch, Emily Brontës „Wuthering Heights“. Mit 15 Jahren stieß die Düsseldorferin zum ersten Mal auf die „Sturmhöhe“, wie das einzige Werk der britischen Schriftstellerin in der deutschen Übersetzung heißt und war fasziniert.
Im Gespräch mit der Literaturwissenschaftlerin Annette Krohn sprudelte Sanyal förmlich über vor Geschichten, die sie für ihr neues Buch „Über Emily Brontë“recherchiert hat. Dabei räumte sie gleich auf mit der romantischen Vorstellung der schreibenden Brontë-Schwestern, die am Rande des Hochmoors lebten. „Es war die Hochzeit der Industrialisierung, mit einer hohen Sterblichkeit der Menschen, die in den Fabriken schufteten“, stellte die Autorin klar und ergänzte: „Das Hochmoor war nicht nur gefährlich, dort haben sich auch diejenigen getroffen, die gegen die Zustände rebellierten.“
„Sturmhöhe“ist – das wurde an diesem Abend deutlich – ein Roman, der Themen des frühen 19. Jahrhunderts verarbeitet, die bis heute nachhallen: „Rassismus kommt darin ständig vor. Heathcliff wird fast auf jeder Seite als schwarz beschrieben. Cathys Vater hatte den Waisenjungen aus Liverpool nach Wuthering Heights gebracht“, erklärte Mithu Sanyal. Liverpool sei damals die Hochburg der Sklaverei gewesen.
Vorgelesen hat Sanyal nur eine kurze Passage, die das Publikum mit in die Familiengeschichte der Brontë-Schwestern nahm. Den Rest des Abends nutzte sie, um einzutauchen in die Hintergründe zur Zeit der Entstehung von „Wuthering Heights“. Sie berichtete, wie unterschiedlich das Buch über die Jahrhunderte rezipiert worden sei, dass über die Brontës viel Falsches geschrieben werde, und würzte diese Informationsflut mit der für sie typischen humorigen Art.
Mit „Mithu Sanyal über Emily Brontë“kehrt die Düsseldorferin nach dem Erfolg ihres ersten Romans „Identitty“, als Bühnenfassung derzeit am Schauspielhaus zu sehen, zum Sachbuch zurück. Es ist das zweite Werk einer Reihe des Kölner Verlages Kiepenheuer & Witsch, der bekannte Autoren bittet, über ihr Lebensbuch zu schreiben. Den
Anfang machte Florian Illies mit Gottfried Benn.
Sanyals humorvolle wie kurzweilige und vor fundiertem Hintergrundwissen nur so überbordende Betrachtung von Brontës einzigem Roman und das kurze Leben der Schriftstellerin, macht Lust, „Wuthering Heights“wieder aus dem Regal zu ziehen und noch einmal einzutauchen in die Schicksale von Heathcliff und Catherine. Die über 30 Verfilmungen des Stoffes anzuschauen gilt nicht, denn – so ließ Sanyal das staunende Publikum wissen – keine der Kinofassungen erzählt das ganze Buch. „Sie hören immer in der Mitte auf. Das wäre so, als würde man Tolstois ,Krieg und Frieden‘ nach dem Krieg abbrechen.“Sie selbst hat übrigens unzählige Buchausgaben, die sie gerne in der Hoffnung verschenkt, andere für „Sturmhöhe“zu begeistern.