Energiekosten: Tageseltern schlagen Alarm
Sie müssen die Räume einerseits regelmäßig lüften, andererseits aber auch auf einer Temperatur von 20 bis 22 Grad halten. Nun fordern sie Unterstützung von der Stadt.
HILDEN Mit einem schlechten Gefühl schaut Melanie Seminatore auf den Winter – die Hildenerin betreibt eine Großtagespflege in Hilden, neun Kinder betreuen sie und eine Kollegin jeden Tag. Die steigenden Energiepreise sorgen sie: „Auch wenn noch nicht klar ist, wie viel wir am Ende mehr zahlen müssen – wir haben Angst“, sagt sie. Ein Tageseltern-Kollege aus einer anderen Stadt muss im Vergleich zum Vorjahr nun dreimal so viel Geld für Gas ausgeben. Und das ist nur ein Beispiel für die Kostenexplosion im Energiebereich. „Das könnte für viele Tagespflegepersonen ein existenzielles Problem werden“, sagt Seminatore.
Aus diesem Grund hat die Interessengemeinschaft Kindertagespflege Hilden (IGKTP) einen Hilferuf an die Stadt geschickt. Im Jugendhilfeausschuss an diesem Mittwoch, 16. November, 17 Uhr im Bürgerhaus, sollen die Ausschussmitglieder über einen Antrag abstimmen, der den Tageseltern einen Energiezuschuss gewährt. „Ich appelliere an die Politik, unserem Antrag zuzustimmen“, sagt Melanie Seminatore.
Denn den Tageseltern seien die Hände gebunden. „Der Wirtschaftsminister ruft Wirtschaft und Verbraucher zum Gassparen auf. Ausgenommen von den Regelungen sind laut Energieeinsparverordnung Krankenhäuser, Pflegeheime, Behinderteneinrichtungen, Schulen und Kitas – also Einrichtungen, in denen höhere Lufttemperaturen wichtig sind für die ,Gesundheit der sich dort aufhaltenden Personen‘, wie es im Wirtschaftsministeriumheißt“, erläutert die IGKTP. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung empfehle in ihren Richtlinien eine Raumtemperatur von mindestens 20 Grad, für Kleinkinder 21 bis 22 Grad. „Dementsprechend dürfen Kindertagespflegepersonen die Raumtemperatur nicht absenken“, heißt es weiter.
In diesem Zusammenhang machen die Tageseltern auf die Hygiene
und Infektionsschutzempfehlungen aufmerksam, die regelmäßiges Querlüften alle 30 Minuten empfehlen. „Die Erfahrungen aus den letzten zwei Wintern zeigen, dass die Raumtemperatur dadurch regelmäßig erheblich abfällt und hier nur durch eine erhöhte Heizleistung gegengesteuert werden kann.“Außerdem hätten Bund und Land Lüftungsanlagen empfohlen, die „einen hohen Mehraufwand an Strom benötigen. Wer diese nicht hat einbauen lassen (können), hat sich häufig mit mobilen Geräten beholfen, die ganztägig für ein virenfreies Raumklima sorgen, zum Preis eines deutlich erhöhten Stromverbrauchs“.
Aber warum können sich nicht einfach die Eltern an den Kosten beteiligen? „Das Land NRW untersagt in Kindertagespflege per Kinderbildungsgesetz eine private Zuzahlung der Eltern, in dem seitens der Kommune erhobenen Elternbeitrag sind keine Abschläge für Heiz- und Energiekosten enthalten. Kindertagespflegepersonen müssen zum Wohlergehen der betreuten Kinder die gestiegenen Strom- und Heizkosten nun aus der laufenden
Geldleistung stemmen; der seitens der Stadt festgelegte Sachaufwand ist für eine solche Preiseskalation nicht ausgelegt.“Diese Mehrkosten stünden einzig und allein im Zusammenhang mit der Betreuung. Dies sei für viele Tageseltern kaum tragbar, da der Sachaufwand der laufenden Geldleistung die erhöhten Aufwendungen nicht auffangen könne. „Einige Tagespflegepersonen werden vielleicht überlegen, nicht mehr weiterzumachen“, befürchtet Melanie Seminatore. Das könne sich Hilden angesichts der ohnehin bereits angespannten Betreuungslage nicht leisten.
Sozialdezernent Sönke Eichner bestätigt den hohen Stellenwert der Tageseltern in Hilden: „Die Hildener Kindertagespflegepersonen leisten mit ihrer Arbeit einen sehr wertvollen Beitrag zur einer familienfreundlichen Stadt. Hier wird auf gutem pädagogischen Niveau ein wichtiger Baustein zu Versorgung von Kindern im Elementarbereich erbracht. Ihr Beitrag (260 Plätze) ist absolut erforderlich, um den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz zu erfüllen.“Die Tageseltern erhielten unter anderem eine Sachkostenpauschale, in der auch die Energiekosten enthalten seien – und die werden laut
Eichner jährlich angepasst. Es sei angesichts der gestiegenen Energiekosten zu erwarten, dass die Sachkostenpauschale zum nächsten Termin im August 2023 entsprechend angehoben wird. Zuvor erhalten die selbstständig arbeitenden Tageseltern eine Energiepauschale der Bundesregierung in Höhe von 300 Euro mit Abgabe ihrer Steuererklärung, so die Stadt. Darüber hinaus überlasse die Verwaltung der Politik, ob eine zusätzliche Unterstützung aus dem eigenen Haushalt gewährt werden soll. „Würde, wie zum Beispiel im Kreis Kleve geschehen, ein einmaliger Energieausgleich über 300 Euro für Kindertagespflegepersonen, unabhängig von staatlichen Hilfsprogrammen, ausgezahlt, hätte dies bei derzeit 54 Kindertagespflegepersonen eine außerplanmäßige Ausgabe von 16.200 Euro zufolge“, so Eichner. Diese Ausgaben könnten aus dem laufenden Haushalt bedient werden. Fehlt also nur noch die Entscheidung der Politik. Nach der Beratung im Jugendhilfeausschuss spricht auch der Finanzausschuss über das Thema. Am Ende entscheidet der Rat am 13. Dezember.