Kernschmelze im Silicon Valley
Entlassungen bei Twitter und Co. treffen die Branche. Das Web 2.0 ist am Ende.
In der Tech-Branche hat eine Kernschmelze eingesetzt, die das Silicon Valley noch nicht einmal in seiner schlimmsten Phase der NewEconomy-Krise vor 20 Jahren erlebt hat: Massenentlassungen bei Amazon, Facebook, Google, Microsoft, Netflix, Salesforce oder Tesla – dazu Kurseinbrüche an der Technologiebörse Nasdaq, die seit Beginn des Jahres Milliardenwerte vernichtet haben. Es schien einmal, als seien die Straßen im Silicon Valley mit purem Gold gepflastert: Uni-Absolventen, die einen Zweijahresvertrag bei einem der TechRiesen unterschrieben hatten, konnten mit rund 250.000 Dollar Jahresgehalt rechnen, dazu Aktienpaketen sowie üppigen Bonus-Zahlungen. Am heftigsten hat es sicherlich Twitter getroffen, wo der neue Hausherr Elon der Schreckliche mit der Abrissbirne regiert. Nur wenige Tage nachdem er den Kurznachrichtendienst übernommen hatte, ließ Musk die Hälfte der Belegschaft feuern. Hinzu kamen Tausende von Dienstleistern, die das Tech-Unternehmen in der ganzen Welt beschäftigt hatte.
Diejenigen, die ihren Job behalten durften, schwor der Multimilliardär auf harte Zeiten ein: „Extreme hardcore“verlangte der Twitter-CEO von seinen Angestellten mit Wochenarbeitszeiten bis zu 120 Stunden. So drastisch diese Schritte auch erscheinen – ein solches Blutbad ist die logische Konsequenz der Firmenpolitik der vergangenen Jahre. Seit Ausbruch der Pandemie hatten Unternehmen wie Amazon oder Meta (ehemals Facebook) die Zahl ihrer Mitarbeiter mehr als verdoppelt. Elite-Universitäten wie Stanford konnten den Bedarf an Arbeitskräften gar nicht so schnell und umfangreich decken, wie es die Tech-Titanen in ihrem Wachstumswahn gern gehabt hätten.
Die Korrektur, die wir aktuell erleben, ist – von den zahlreichen individuellen Schicksalen abgesehen – überfällig. Das Web 2.0 ist am Ende. Doch das Web 3 wirft bereits seine Schatten voraus. Und die Gier der Investoren kennt kein Ende, siehe Krypto-Kollaps. Manchmal ist Big-Tech wie Fußball: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Und auf die schönste Party folgt der Kater, respektive Katar.
Unser Autor ist Blogger und Digitalexperte. Er wechselt sich hier mit der Start-up-Gründerin Felicia Kufferath ab.