Exaktere Regeln für Aufsichtsräte
Die Stadtkämmerin über die neuen Richtlinien für die Stadttöchter wie Messe und Rheinbahn.
INTERVIEW DOROTHÉE SCHNEIDER
DÜSSELDORF Stadtkämmerin Dorothée Schneider ist auch für den Umgang mit den städtischen Beteiligungen wie Messe oder Stadtwerke verantwortlich. Unter ihrer Führung wurden zwei neue Regelwerke für die Stadttöchter erarbeitet.
Aktuell wird ein Fall untersucht, bei dem ein inzwischen zurückgetretenes Aufsichtsratsmitglied der Stadttochter D.Live zu viele Freikarten erhalten haben soll. War das der Anlass dafür, die Richtlinien für die Stadttöchter zu erneuern? DOROTHÉE SCHNEIDER Nein, die zeitliche Nähe ist zufällig. Vor allem gestiegene Anforderungen an eine gute, transparente Unternehmensführung, Änderungen der gesetzlichen Grundlagen und interne Umstrukturierungen haben eine Überarbeitung der Richtlinien erforderlich gemacht.
Eine Konkretisierung der Compliance-Regeln ist aber ein Teil der Neuerung. Was hat sich verändert? SCHNEIDER Wesentliche Teile sind inhaltlich gleich geblieben. Der zur Zeit gültige Düsseldorf-Kodex – in dem die Vorgaben für die Stadttöchter formuliert werden – ist aus dem Jahr 2017 und deckt auch den Umgang mit Compliance-Fällen ab. Jetzt wurde er lediglich überarbeitet.
Würde mit dem jetzt im Raum stehenden Fall künftig anders umgegangen?
SCHNEIDER Das aktualisierte Regelwerk allein löst keinen anderen Prozess aus. Allerdings sind nun die Prüf- und Überwachungsaufträge seitens des Aufsichtsrates und der Geschäftsführung explizit formuliert worden und der Informationsaustausch zwischen Aufsichtsrat und Geschäftsführung festgeschrieben worden.
Wenn etwas geregelt wird, fragt man sich automatisch, ob es das vorher nicht war. Fehlte es bislang an Compliance-Vorgaben für die Stadttöchter?
SCHNEIDER Nein, es fehlte nicht an Compliance-Vorgaben; Compliance beschreibt im rechtlichen Bereich die Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen sowie interner Richtlinien
durch Unternehmen und ihre Mitarbeiter. Darunter fällt auch die Einhaltung des Korruptionsbekämpfungsgesetzes oder auch die Anwendung des Düsseldorfer Kodex. Die Beteiligungsunternehmen sind bereits verpflichtet, einen Verhaltenskodex zu erstellen. Dieser soll Leitlinie sein für das verantwortungsbewusste, respektvolle und auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Verhalten des Unternehmens. Gesellschaftliche Wertvorstellungen sollen verankert werden.
Was sind aus Ihrer Sicht weitere wichtige Punkte in der Überarbeitung, die der Stadtrat am Donnerstag beschlossen hat?
SCHNEIDER Das Herzstück des neuen Düsseldorfer Kodex ist die verbindliche Verankerung der sogenannten Entsprechenserklärung, in der die
Geschäftsführung und der Aufsichtsrat wesentliche Abweichungen von den Empfehlungen des Düsseldorf Kodex jährlich offen zu legen und zu begründen haben. Das schafft deutlich mehr Transparenz und Gelegenheit zur kritischen Diskussion. Zudem wurden gesellschaftlich relevante Themen wie zum Beispiel Nachhaltigkeit, Gleichstellung und Vielfalt, also Diversity, verstärkt berücksichtigt. So ist es zum Beispiel Aufgabe der Geschäftsführung, dafür Sorge zu tragen, dass die globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, die Sustainable Development Goals, sowie die kommunale Nachhaltigkeitsstrategie der Stadt bei der Geschäftstätigkeit des Unternehmens berücksichtigt werden.
Also zum Beispiel auch die städtischen Klimaziele?
SCHNEIDER Ja. Neue Aufgabe des Aufsichtsrats ist es dabei, zu überwachen, wie die ökologische und soziale Nachhaltigkeit bei der strategischen Ausrichtung des Unternehmens und deren Umsetzung berücksichtigt wird. Ein weiterer neuer Punkt ist, dass die Anforderungen an die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder und ihre Aufsichtstätigkeit insbesondere im Rahmen von Aufsichtsratssitzungen konkretisiert wurden. Im Düsseldorfer Kodex stehen daneben nun auch detaillierte Vorgaben zur Auswahl, Anstellung und Vergütung von Mitgliedern der Geschäftsführung.
Welche Rolle sollen die Stadttöchter beim Thema Nachhaltigkeit genau spielen?
SCHNEIDER Düsseldorf hat beschlossen, die 17 globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, die Sustainable Development Goals, zu verfolgen. Dazu zählen etwa mehr Natur in der Stadt, weniger CO2 und eine intakte Umwelt, weniger Armut und mehr Chancengleichheit, bezahlbarer Wohnraum, Frieden und Gerechtigkeit. Von den Beteiligungsgesellschaften wird erwartet, die Zielvorgaben dieser Werke umzusetzen.
Die Corona-Pandemie hat auch einige Stadttöchter schwer getroffen. Wie beurteilen Sie derzeit die Lage? SCHNEIDER Vor allem im ersten Quartal dieses Jahres sind die erwarteten coronabedingten Auswirkungen, wie etwa die Absage der Messe Boot, eingetreten, aber insgesamt nicht in dem befürchteten Umfang. Auf Basis der zum Ende des 3. Quartals von Beteiligungen gelieferten Wirtschaftsdaten lässt sich sagen, dass sich die Wirtschaftslage der wesentlichen Beteiligungen wie Rheinbahn, Flughafen, Stadtwerke und Messe Düsseldorf zum Ende des Geschäftsjahres 2022 im Vergleich zur Planung verbessert zeigt. Allerdings rücken die allgemeinen Preissteigerungen und der Anstieg der Energiekosten verstärkt in den Fokus.
Aktuell laufen Verhandlungen über die Neuausschreibung von Müllabfuhr und Straßenreinigung. Die
Stadt gibt alleine in diesem Jahr mehr als vier Millionen Euro für externe Beratung zu diesem Thema aus. Ist eine solche Ausgabe nötig? SCHNEIDER Ja. Eine Ausschreibung in dieser Größenordnung ist kein Tagesgeschäft. Die gesetzlichen Anforderungen an die Vergabe sind zudem äußerst komplex. Ein Beispiel: Die Stadt hat den Bietern ein umfassendes Bild über das Unternehmen zu geben, die Ausschreibungsunterlagen umfassen etwa 250 Dokumente. Das sozusagen eingekaufte Wissen kann auch für künftige Vergaben – zumindest teilweise – genutzt werden.
Wie werden die Bürgerinnen und Bürger von der Neuvergabe von Müllabfuhr und Straßenreinigung profitieren? Sinken die Gebühren? SCHNEIDER Aufgrund der steigenden Energiekosten rechne ich nicht mit sinkenden Gebühren. Die Gebührenhöhe ist und bleibt aber auch in Zukunft abhängig von Faktoren wie der Inflation, Kostensteigerungen für Energie und Material sowie von der Restabfallmenge. Eine wirksame Möglichkeit zur Gebührenreduzierung ist es unter anderem, Sammelsysteme wie die blaue Tonne für Altpapier und die Biotonne stärker zu nutzen als bisher, um nur noch kleinere Restabfallbehälter bestellen zu müssen. Eine Gebührenstabilität zählt aber zu den Kernzielen der Neuvergabe. Wir streben auch eine Erhöhung der Qualität der Leistungen, mehr Einfluss der Stadt auf den operativen Betrieb und eine Erhöhung der Recyclingquote an.