Drei Bronzesäulen regen die Fantasie an
Der Künstler Tony Cragg stellte am Freitag seine Skulpturen mit dem Titel „Points of View“am Busbahnof vor.
MONHEIM Sie sind mehr als fünf Meter hoch, und je nach Standort lassen sich in den drei geschwungenen und gleichzeitig verdrehten Bronzeskulpturen von Tony Cragg Zipfelmützen, Pilze, Dinosaurier, Gesichter oder gar skurrile Comicfiguren erkennen. Der Betrachter muss sich nur die Zeit nehmen, drumherum oder mittendurch zu gehen, stehen zu bleiben und in die Höhe zu gucken. Sie sind in der Form eines Dreiecks angeordnet, jeweils im gleichen Abstand zueinander.
„Points of View“lautet der Titel der matt polierten Kunst. Noch steht die Gruppe unmittelbar am Eingang des neuen Boulevards; wenn das Monheimer Tor fertig umgebaut ist, rückt sie 20 Meter weiter. „Diesen Standort habe ich mir ausgesucht“, sagte Tony Cragg, der am Freitag zur Vorbesichtigung mit Bürgermeister Daniel Zimmermann in die Neue Mitte nach Monheim gekommen ist. Man habe sich in der Stadt in den vergangenen beiden Jahren sehr auf die Kunstwerke gefreut, bemerkte Zimmermann. Neben Jeppe Heins „Playground“am Eierplatz und Mischa Kuballs „Cube + Square“– die Arbeit mitten im Boulevard wird in der kommenden Woche vorgestellt – ist Craggs Werk eine von drei Installationen
direkt im Stadtzentrum. „Alle drei Werke passen auf unterschiedliche Art gut in die Innenstadt“, findet der Bürgermeister. Und auch der Künstler schätzt die Kollegen und erlebt seine Bronzesäulen im Umfeld von deren Arbeiten gut aufgehoben.
Es sei „eine Freude“für ihn gewesen, seine Arbeit dort aufstellen zu dürfen. Die Monheimer Innenstadt habe eine „irre Dynamik“entwickelt. Es sei untypisch für die
Welt, was hier vor Ort unternommen werde. Neben dem kommerziellen Zentrum mit Geschäften, Gaststätten und Cafés gehöre auch Kultur dazu. „Ich fühle mich geehrt, dass ich meine Skulpturen dafür schaffen konnte“, sagt der in Liverpool geborene Bildhauer.
Neben den hohen Gebäuden mit Ecken und Kanten stünden jetzt auf einmal Skulpturen – mit ganz anderen Formen. „Das regt die Fantasie an“, sagte Cragg. Der 73-Jährige versteht Kultur neben Ökonomie, Politik und Religion als einen zentralen Faktor, um die Lebensqualität der Menschen zu verbessern. „Wer Kunstwerke betrachtet, kann ein viel reicheres Leben haben.“
Die künstlerischen Positionen in Monheim hätten viele Facetten. Der Monheimer Geysir von Thomas Stricker oder die Leda von Markus Lüpertz hätten sich mittlerweile zu Wahrzeichen entwickelt. Ende 2022 werde man neun Arbeiten realisiert haben. Monheim entwickele sich immer mehr zu einem Ort der Kunst, der über die Stadtgrenzen hinaus strahle, so Stadtsprecher Thomas Spekowius.
Tony Cragg sei ein Meister im Spiel mit dem Gegensatz von Statik und Dynamik und mit abstrakten Formen, die zugleich gegenständliche, oft fast menschliche Züge hätten. Das Kunstwerk bilde einen optischen Kontrast und verleihe dem praktisch bestimmten Ort einen gestalterischen Mehrwert. Der Künstler setze der „rigiden Architektur einen lebendigen Impuls entgegen“, so Spekowius. Passanten erhielten so immer wieder neue Eindrücke.
Tony Cragg, der in Wuppertal lebt und arbeitet, wird zu den bedeutendsten Bildhauern der Gegenwart gezählt. In seinen Arbeiten lassen sich große „Werkfamilien“ausmachen. Die Reihe „Points of View“ist Teil einer solchen Werkfamilie. Seit 1977 präsentiert er seine Arbeiten in großen Museen weltweit. Mehrmals war er auf der Biennale in Venedig und der documenta in Kassel. Auch auf den Biennalen in Sao Paulo und Sydney war seine Kunst zu sehen. 1988 wurde ihm der TurnerPreis verliehen. 2007 nahm er den Praemium Imperiale, den Weltkulturpreis des japanischen Kaiserhauses, entgegen. Er lehrte an der Düsseldorfer Kunstakademie, seit 1988 als Professor, bis er 2001 auf einen Lehrstuhl für Bildhauerei nach Berlin wechselte. 2006 kehrte er als Prorektor nach Düsseldorf zurück, wurde 2009 zum Rektor ernannt. 2014 schied er aus diesem Amt aus.
Sandra und Claudio Jürgens aus Leverkusen glauben, dass sich viele Menschen an der Kunst in der Innenstadt „erfreuen“. Als „interessant“wertet Claudio Jürgens die Bronze-Gruppe von Tony Gragg. Keinesfalls sei sie störend oder zu groß. Die Beiden finden es auch für Außenstehende „lohnenswert“nach Monheim zu kommen. Friedrich Müller (70) hingegen hätte gerne eine Erklärung, was Craggs Skulptur aussage. „Ich kann nicht erkennen, was das sein soll“, meinte der Senior. Das Geld hätte man lieber in einen Kinderspielplatz investiert.