Das Zerren um den Worringer Platz
Bei einer Razzia ist die Polizei gegen die Drogenszene vorgegangen. Doch alle Beteiligten wissen, dass das nicht ausreicht.
STADTMITTE Als die Polizei um kurz nach zwei den Worringer Platz von drei Seiten umstellt und die Einsatzkräfte auf das Plateau treten, bleibt es erstaunlich ruhig. Kein Geschrei, keine Diskussionen, kein Widerstand. Die drogenabhängigen Menschen, die Tag für Tag auf dem Platz verbringen, kennen das. Sie zücken routiniert ihre Ausweise und Unterlagen, öffnen ihre Taschen und dulden, dass die Polizisten sie mit behandschuhten Fingern durchsuchen. Einsatz zur Verhinderung einer offenen Szene, kurz EVOS, nennt die Polizei diese Aktionen, so steht es im Sicherheitskonzept. Einsätze in dieser Größenordnung, mit 20 Einsatzkräften, davon zwei in zivil und zwei mit Drogenspürhunden, sind selten, das macht die Polizei höchstens drei Mal im Jahr. Doch kleinere Kontrollen gibt es mehrmals wöchentlich, es gehört zur Routine am Worringer Platz.
Hier trifft sich die Drogenszene, genauer gesagt die Drogenszenen – denn was nach außen wie eine Gemeinschaft suchtkranker Menschen wirken mag, sind meist unterschiedliche Gruppen, die sich nicht immer freundschaftlich begegnen. So friedlich wie an diesem Dienstag seien die Einsätze nicht immer, sagt Matthias Wewer, Leiter des Sondereinsatztrupps Prios. Je nach Zustand der Konsumenten und Anzahl der Polizisten könne es auch mal ruppiger werden. Vor allem aber gebe es immer wieder Konflikte innerhalb der Szene, Streit zwischen Dealern und Käufern, Stress unter den Abhängigen. „Da gibt es eine Menge Futterneid“, sagt Wever.
Der Einsatzleiter hält ein Messer in der Hand, das haben die Kollegen beschlagnahmt. Außerdem ein Tütchen mit zwei ovalen Tabletten. „Methaddict“, sagt einer der Polizisten, „ein Ersatzmittel für Heroin“. Suchtkranke bekommen diese in der Methadonambulanz, müssen sie aber eigentlich sofort nehmen. Einige schmuggeln die Tabletten raus und verkaufen sie weiter. Zwei Dealer hat die Polizei an diesem Tag festgenommen.
Dass Einsätze wie dieser das Problem nicht lösen, ist Matthias Wewer natürlich bewusst. Wenn er mit seinem Team später am Tag wiederkomme, sei der Platz bereits wieder voll, prophezeit er. Die Polizei könne den Brennpunkt aber auch nicht sich selbst überlassen. Eine öffentliche Drogenszene solle sich gar nicht erst etablieren können, sagt er.
Auf dem Worringer Platz dürfte das aber bereits weit fortgeschritten sein. Anwohner und Geschäftsleute beschweren sich regelmäßig über die Zustände, über offenen Drogenkonsum, über Spritzen und Fäkalien in Hauseingängen. Die Situation hat sich zugespitzt, als der Betreiber einer Pizzeria einen Zaun aufstellte, um seine Terrasse vom Rest des Platz abzugrenzen – und die Szene noch enger zusammenrücken musste.
Auch Michael Harbaum, Geschäftsführer der Drogenhilfe, die nur wenige Meter entfernt ihre Beratungsund Drogenkonsumräume betreibt, bezeichnet die momentane Situation am Worringer Platz als „nicht schön“. „Es gibt da durchaus Probleme, die man aber nicht mit Polizeieinsätzen in den Griff bekommt“, sagt Harbaum. Aus seiner Sicht brauche es andere Ansätze und vor allem mehr Platz für die vielen Menschen. Man müsse andere Orte in der Stadt finden, an denen sich die Abhängigen treffen können, um die Lage am Worringer Platz zu entzerren.
Es wurde bereits ein Runder Tisch einberufen, an dem Vertreter der Stadtverwaltung, der Politik, der Polizei sowie Sozialarbeiter, Anwohner und ansässige Geschäftsleute zusammenkamen. In der kommenden Woche findet ein erneutes Treffen statt, bei dem die Ergebnisse eines Workshops diskutiert und mögliche andere Treffpunkte präsentiert werden sollen.
Es gebe aber auch andere Hebel in der Drogenhilfe, sagt Michael Harbaum. So könne es hilfreich sein, die Zugangsbedingungen für Drogenkonsumräume zu verändern. Derzeit ist es so, dass das Teilen von Substanzen in den Räumen verboten ist. In den vergangenen Jahren aber sei die Szene der Crack-Abhängigen gewachsen, die das Gemisch aus Kokain und Natron in einer Pfeife rauchen. Crack wirke schnell, der Rausch flute aber aber ebenso schnell wieder ab, sodass Suchtkranke rasch Nachschub brauchen, sagt Harbaum. Eine Pfeife mit einer Dosis Crack wird darum häufig unter Abhängigen geteilt. Um ihre Sucht zu stillen, dürfen sie also nicht in die geschützten Konsumräume, sondern bleiben oftmals auf der Straße und rauchen dort. Sollte sich hier das Gesetz anpassen, könnte das die Arbeit der Drogenhilfe vereinfachen, sagt Harbaum.
Zehn Plätze gibt es in dem Drogenkonsumraum an der Erkrather Straße, diese seien stets ausgelastet, sagt Harbaum. Die Drogenhilfe hat darum kürzlich ausgebaut und auf 17 Plätze aufgestockt, die noch in diesem Jahr in Betrieb gehen sollen. Ob sich das aber direkt auf die schwierige Situation am Worringer Platz auswirke, sei schwer einzuschätzen.