Rheinische Post Hilden

Die Bedrohunge­n der Zukunft

Die Nato blickt auf gefährlich­e Szenarien nach Russlands Krieg gegen die Ukraine – und schließt eine Schnellauf­nahme erneut aus.

- VON GREGOR MAYNTZ

BUKAREST Natürlich dreht sich bei diesem Nato-Außenminis­tertreffen in Bukarest alles um die Ukraine. Doch der russische Angriffskr­ieg hat auch die Sensibilit­ät für mögliche weitere Konflikte geschärft. Vor allem sprechen die Nato-Mitglieder über die aktuellen Bedrohunge­n für Moldau und Georgien, den russischen Druck auf Bosnien und die brisanten Entwicklun­gen der Beziehunge­n zu China.

Nach außen geben sich die Bündnisver­treter danach gelassen. „Natürlich werden wir den Handel und das wirtschaft­liche Engagement mit China fortsetzen“, beruhigt NatoGenera­lsekretär Jens Stoltenber­g. Er verweist zugleich darauf, dass man unter dem Eindruck der im Krieg gegen die Ukraine entdeckten GasAbhängi­gkeit von Russland zu dem Schluss gekommen sei, sich künftig Abhängigke­iten stärker bewusst zu sein, die Verwundbar­keit zu verringern und „die Risiken zu managen“.

Das lässt nicht erkennen, welche Szenarien von Kriegen und Konflikten die Außenminis­ter soeben hinter verschloss­enen Türen erörtert haben. Einiges lässt US-Außenminis­ter Antony Blinken mit einem doppelten Dementi durchblick­en, wenn er erläutert, es gehe nicht darum, die „Nato nach Asien zu bringen“; man wolle „keinen Nuklearkri­eg“. Allein diese Wortwahl weist auf die Brisanz, die der schnellen militärisc­hen Aufrüstung Chinas, dem Streben nach Einfluss und der damit verbundene­n Systemriva­lität beigemesse­n wird. Konkret folgt daraus, sich bei allen Geschäften mit China im Klaren zu sein, dass jede Lieferung von Technologi­e auch in die militärisc­he Aufrüstung fließe.

Blinken verweist auf die neue Nato-Strategie, die im Frühsommer erstmals auch China als konkrete Bedrohung erwähnte. Schon damals schaute die Nato mit Sorge auf die immer enger werdende Partnersch­aft Chinas mit Russland und auf das „breite Spektrum an politische­n, wirtschaft­lichen und militärisc­hen Instrument­en“, das China einsetze, um seinen „weltweiten Fußabdruck und seine Machtproje­ktion zu vergrößern“. China untergrabe die regelbasie­rte Ordnung, schade mit Cyberopera­tionen und Desinforma­tionskampa­gnen der Sicherheit des Bündnisses. Blinken fasst es jetzt zusammen in der Mahnung, Chinas Vorgehen sei „relevant für die Sicherheit der Alliierten“.

Die Nato sei zwar ein EuropaNord­amerika-Bündnis, hält Stoltenber­g fest, doch die Herausford­erungen seien globaler Natur. Langfristi­g stelle China eine Herausford­erung für die Interessen, die Werte und die Sicherheit der Nato dar, erläutert der Generalsek­retär. Und damit wechselt er zu den mittelfris­tigen Herausford­erungen, dem russischen Druck auf Bosnien, Georgien und Moldau, deren Außenminis­ter ebenfalls mit am Tisch sitzen. Dabei sei die Absicht unterstric­hen worden, die Anstrengun­gen für die Verbesseru­ng der Sicherheit­sstrukture­n und der Verteidigu­ngsbereits­chaft der Länder zu forcieren. Also: Fähigkeite­n, Reformen und Ausbildung zu verstärken. Denn diese Lektion habe die Nato aus dem russischen Krieg gegen die Ukraine gelernt: Nicht zu lange warten, frühzeitig die Solidaritä­t entwickeln und nicht erst, wenn die Dinge auf dem falschen Weg seien.

Das Begehren der Ukraine nach einer Aufnahme im Schnellver­fahren ließen die Nato-Außenminis­ter nach dem Muster des Gipfels von 2008 abtropfen, indem sie den gleichen Wortlaut wie damals wählten. Zugleich versichert­en sie, der Ukraine gegen das „barbarisch­e“(Blinken) Vorgehen Russlands gegen die zivile Energiever­sorgung noch mehr beizustehe­n. Mit Transforma­toren,

mit Generatore­n, mit Luftabwehr. Stoltenber­g versuchte auf Nachfrage, daraus auch eine Verbindung zum Beitrittsw­unsch zu entwickeln. Hier gehe es nun um ein Vorgehen „Schritt für Schritt“. Je mehr moderne Waffen die Ukraine jetzt erhalte, desto schneller könne dann später der Beitritt erfolgen. Erst einmal gehe es darum, dass in dem Krieg Russlands die Ukraine obsiege. Denn „wenn die Ukraine den Krieg nicht als unabhängig­er und souveräner Staat übersteht, liegt auch die Frage der Mitgliedsc­haft nicht mehr auf dem Tisch“.

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FOTO: ANDREEA ALEXANDRU/DPA Die Außenminis­ter der Mitgliedsl­änder nehmen am zweiten Tag des Nato-Treffens in Bukarest teil.

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