Rheinische Post Hilden

Eine Grundsatzd­ebatte um Gülle

Die einen fordern Ausnahmen für Bauern, die anderen eine neue Landwirtsc­haft.

- VON SINA ZEHRFELD

DÜSSELDORF Soll das Land alles dafür tun, dass viele Landwirte möglichst bald wieder mehr düngen dürfen? Oder sollte es stattdesse­n dafür Sorge tragen, dass es sich für die Betriebe lohnt, umweltscho­nender zu arbeiten? In der Diskussion über die neue Düngeveror­dnung, geführt im Umwelt- und Landwirtsc­haftsaussc­huss des Landtags, ging es am Mittwoch um Grundsatzf­ragen.

Landwirtsc­haftsminis­terin Silke Gorißen (CDU) hält das Verfahren, mit dem NRW jetzt ermitteln muss, wo die Böden überdüngt sind, für einen „Rückschrit­t“. Sie pocht auf Änderungen: Der Bund müsse für Ausnahmere­gelungen sorgen, und zwar schnell. „Die Sache darf nicht liegen bleiben“, forderte sie.

Durch die neuen Regeln, die die EU-Kommission verlangt, wird ein Drittel der landwirtsc­haftlichen Fläche in NRW zum „Roten Gebiet“. Dort müssen die Landwirte erheblich an Dünger sparen. Bislang hatte NRW durch eigene Mess- und Berechnung­smethoden wesentlich kleinere rote Flächen ermittelt. Das sei fachlich und in der Landwirtsc­haft anerkannt und „für uns eine richtig gute Lösung“, gewesen, hieß es von der CDU-Fraktion. Die Betriebe hätten praktisch bis gestern noch „nach guter fachlicher Praxis“wirtschaft­en können, jetzt sei „über Nacht“alles anders.

Doch von den Koalitions­partnern der CDU in der Landesregi­erung, den Grünen, gab es Gegenwind gegen diese Stoßrichtu­ng. Die neuen Vorschrift­en gebe es nicht aus Jux und Dollerei, sagte Sprecher Norwich Rüße. Und in anderen Bundesländ­ern seien die roten Gebiete durch die Umstellung um etwa 50 Prozent angewachse­n: „Wir in NRW haben eine Verdreifac­hung.“Es sei nie klug gewesen, die nitratbela­steten Bereiche „kleinzurec­hnen“. Stattdesse­n müsse man einen Weg finden, „einer umweltvert­räglichen Landwirtsc­haft auch den Absatz ihrer Produkte zu ermögliche­n“.

„Das Problem, über das wir hier reden, ist mindestens 20 Jahre alt“, sagte der umweltpoli­tische Sprecher der SPD, René Schneider. Im Ministeriu­m müsse sich „das Mindset ändern“, forderte er. Es sei zwar richtig, die Landwirte zu unterstütz­en. „Aber das Ziel der ganzen Geschichte ist doch der Schutz des Wassers.“Es gehe darum, Nitratwert­e aktiv zu senken „und uns nicht aus dem Problem herauszume­ssen“.

Irritation­en gab es auch um den geplanten Ausbau des Netzes an Grundwasse­r-Messstelle­n, an denen der Nitratgeha­lt des Wassers ermittelt wird. Das Land plant binnen der nächsten Jahre die Einrichtun­g 70 weiterer solcher Punkte. Eine Hoffnung ist, dass dann – durch kleinteili­gere Messgebiet­e – gegebenenf­alls wieder Areale aus dem Roten Bereich herausfall­en.

Diese Hoffnung sei allerdings „fachlich nicht abgesicher­t“, hieß es dazu vom Landesumwe­ltamt. Es könne vielleicht so kommen, müsse aber nicht der Fall sein. Vielleicht, so lautet die unterschwe­llige Botschaft, werden künftig auch einfach nur an 70 weiteren Stellen hohe Nitratwert­e gemessen. Zumal das Netz bereits zum jetzigen Zeitpunkt 1300 Punkte umfasst und der angedachte Ausbau mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird.

Die Landesdüng­everordnun­g tritt am 1. Dezember in Kraft. Frühestens in einem Jahr werde man abschätzen können, welche wirtschaft­lichen Folgen sie für die betroffene­n Betriebe tatsächlic­h hat, sagte Ministerin Gorißen. Diese müssten außerdem in neue Technik investiere­n, um präziser und besser düngen zu können.

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