Die Ratsleute und das Geld
Die Freikarten-Affäre hat den Fokus auf die Compliance-Regeln für Ratsleute gelenkt. Die ehrenamtlichen Stadtpolitiker bewegen sich in einem Spannungsfeld: Sie haben Anspruch auf Zahlungen und Vergünstigungen – und zugleich eine besondere Verpflichtung.
ANALYSE
DÜSSELDORF Im Stadtrat wird so viel über Compliance geredet wie lange nicht mehr. Auslöser ist die Freikarten-Affäre bei der Stadttochter D.Live. Es besteht der Verdacht, dass ein Ratsmitglied zu stark bei Freikarten für Veranstaltungen zugelangt hat. Was verdienen die Ratsleute eigentlich? Und was steht ihnen sonst zu? Die wichtigsten Informationen zu einem heiklen Thema.
Welche Regeln gelten für Ratsleute? Wer sich in die politische Vertretung der Düsseldorfer Bürgerinnen und Bürger wählen lässt, begibt sich in ein Spannungsfeld. Auf der einen Seite sollen sich die Kommunalpolitiker in der Stadt zeigen und ihre Netzwerke pflegen, auf der anderen Seite dürfen sie ihr Mandat nicht zu privaten Vorteilen ausnutzen. Auf der einen Seite soll die Bürgerschaft durch Menschen vertreten werden, die mitten aus dem Leben kommen und die Vielfalt der Stadt widerspiegen. Auf der anderen Seite sollen die Kommunalpolitiker das Wohl der Stadt im Auge behalten und nicht das ihres Arbeitsgebers oder ihrer Geschäftspartner, ihrer Freunde, Familie oder ihres Vereins. Mögliche Befangenheiten sind offensichtlich, etwa bei der Bewilligung von Bauprojekten. Auch deshalb müssen die Ratsleute ihren Beruf und ihre Vereinsmitgliedschaften offenlegen – und deshalb dürfen Mitarbeiter der Stadtverwaltung sich nicht in den Rat wählen lassen.
Die saubere Abgrenzung von Privatem und Politischem ist nicht nur eine Frage von politischem Stil und Moral, sondern kann auch rechtlich zum Thema werden. Laut Gemeindeordnung haben die Ratsleute eine „besondere“Treuepflicht gegenüber der Stadt. Sie müssen alles unterlassen, was dem Wohl Düsseldorfs und seiner Einwohner zuwiderläuf.
Spätestens beim Verdacht der Korruption wird auch die Staatsanwaltschaft aktiv: Wer sich die Zustimmung im Rat bezahlen lässt, dem drohen bis zu fünf Jahre Haft.
Welche finanziellen Vorteile bringt das Mandat mit sich? Ein Ratsmandat wird nicht mit einem Lohn vergolten, für dieses Ehrenamt wird aber eine sogenannte Aufwandsentschädigung entrichtet. Wer für die fünfjährige Wahlperiode gewählt wurde, erhält pauschal 520 Euro pro Monat, dazu kommen 25 Euro pro Sitzung. Sprengt diese den Rahmen von sechs Stunden, kommen weitere 25 Euro dazu. Die Stadt hat alleine im vergangenen Jahr rund 1,1 Millionen Euro Entschädigung an die 90 Ratsleute ausgezahlt, wie die Stadt auf Anfrage unserer Redaktion mitteilt. Das ergibt im Durchschnitt 12450 Euro pro Person. Die Verteilung zwischen den Fraktionen entspricht nach unseren Berechnungen etwa dem Sitzverhältnis.
Finanziell hat das Ratsmandat also durchaus das Ausmaß eines Nebenjobs, wobei der Begriff Aufwandsentschädigung seine Berechtigung hat. Zu absolvieren sind zehn lange Ratssitzungen, dazu kommt die Mitarbeit in Fachausschüssen und Kommissionen, Fraktionssitzungen, Vor- und Nachbesprechungen, Parteitage – das Mandat ist zeitaufwendig und erfordert Abstriche bei Job und Familie. Die Entschädigung trägt dazu bei, dass sich auch Menschen das Engagement leisten können, die finanziell nicht unabhängig sind.
Wer ein Ratsmandat innehat, erhält darüber hinaus ein Ticket 2000 oder darf alternativ während der Sitzungen im Rathausinnenhof oder dem Parkhaus Grabbeplatz parken. Den Fraktionen wird daneben ein Kontingent an Karten für Spiele von Fortuna Düsseldorf und der DEG angeboten, die Mitglieder des Kulturausschusses dürfen kostenlos städtische Kulturinstitute besuchen.
Dazu können Vergünstigungen kommen, die nicht einzeln aufgelistet sind. Die Entscheidungsträger in der Kommune hat jeder gerne zu Gast, entsprechend viele Einladungen etwa zu Kulturveranstaltungen oder Empfängen winken. Wer es übertreibt, macht sich allerdings angreifbar – siehe oben.
Was ist mit den Stadttöchtern? Die Mitarbeit in den Kontrollgremien der Stadttöchter sind finanziell teilweise von besonderem Reiz Das am besten vergütete Mandat ist der Verwaltungsrat der Stadtsparkasse, in dem zwölf städtische Vertreter sitzen. Die höchste Vergütung – offenbar wegen der Teilnahme an allen Sitzungen – erhielten laut Geschäftsbericht im Geschäftsjahr 2021 Andreas Hartnigk (CDU) und Wolfgang Scheffler (Grüne) mit rund 40.500 Euro. Auch etwa Flughafen, Rheinbahn und Messe zahlen höhere Beträge aus, ein einfaches Mandat bei der Immobilien-Stadttochter IDR bringt hingegen nur 200 Euro. Dazu können je nach Unternehmen weitere Vorteile kommen. Rheinbahn-Aufsichtsräte erhalten eine ÖPNV-Jahreskarte, die Kontrolleure der Veranstaltungs-Stadttochter D.Live erhalten Freikarten für die großen Hallen – allerdings nur in begrenzter Menge, wie jetzt ausführlich diskutiert geworden ist. Bessere Zinsen bei der Sparkasse oder günstigere Flüge ab Düsseldorf stehen den Ratsleuten hingegen nicht zu.