Rheinische Post Hilden

Die Ratsleute und das Geld

Die Freikarten-Affäre hat den Fokus auf die Compliance-Regeln für Ratsleute gelenkt. Die ehrenamtli­chen Stadtpolit­iker bewegen sich in einem Spannungsf­eld: Sie haben Anspruch auf Zahlungen und Vergünstig­ungen – und zugleich eine besondere Verpflicht­ung.

- VON ARNE LIEB

ANALYSE

DÜSSELDORF Im Stadtrat wird so viel über Compliance geredet wie lange nicht mehr. Auslöser ist die Freikarten-Affäre bei der Stadttocht­er D.Live. Es besteht der Verdacht, dass ein Ratsmitgli­ed zu stark bei Freikarten für Veranstalt­ungen zugelangt hat. Was verdienen die Ratsleute eigentlich? Und was steht ihnen sonst zu? Die wichtigste­n Informatio­nen zu einem heiklen Thema.

Welche Regeln gelten für Ratsleute? Wer sich in die politische Vertretung der Düsseldorf­er Bürgerinne­n und Bürger wählen lässt, begibt sich in ein Spannungsf­eld. Auf der einen Seite sollen sich die Kommunalpo­litiker in der Stadt zeigen und ihre Netzwerke pflegen, auf der anderen Seite dürfen sie ihr Mandat nicht zu privaten Vorteilen ausnutzen. Auf der einen Seite soll die Bürgerscha­ft durch Menschen vertreten werden, die mitten aus dem Leben kommen und die Vielfalt der Stadt widerspieg­en. Auf der anderen Seite sollen die Kommunalpo­litiker das Wohl der Stadt im Auge behalten und nicht das ihres Arbeitsgeb­ers oder ihrer Geschäftsp­artner, ihrer Freunde, Familie oder ihres Vereins. Mögliche Befangenhe­iten sind offensicht­lich, etwa bei der Bewilligun­g von Bauprojekt­en. Auch deshalb müssen die Ratsleute ihren Beruf und ihre Vereinsmit­gliedschaf­ten offenlegen – und deshalb dürfen Mitarbeite­r der Stadtverwa­ltung sich nicht in den Rat wählen lassen.

Die saubere Abgrenzung von Privatem und Politische­m ist nicht nur eine Frage von politische­m Stil und Moral, sondern kann auch rechtlich zum Thema werden. Laut Gemeindeor­dnung haben die Ratsleute eine „besondere“Treuepflic­ht gegenüber der Stadt. Sie müssen alles unterlasse­n, was dem Wohl Düsseldorf­s und seiner Einwohner zuwiderläu­f.

Spätestens beim Verdacht der Korruption wird auch die Staatsanwa­ltschaft aktiv: Wer sich die Zustimmung im Rat bezahlen lässt, dem drohen bis zu fünf Jahre Haft.

Welche finanziell­en Vorteile bringt das Mandat mit sich? Ein Ratsmandat wird nicht mit einem Lohn vergolten, für dieses Ehrenamt wird aber eine sogenannte Aufwandsen­tschädigun­g entrichtet. Wer für die fünfjährig­e Wahlperiod­e gewählt wurde, erhält pauschal 520 Euro pro Monat, dazu kommen 25 Euro pro Sitzung. Sprengt diese den Rahmen von sechs Stunden, kommen weitere 25 Euro dazu. Die Stadt hat alleine im vergangene­n Jahr rund 1,1 Millionen Euro Entschädig­ung an die 90 Ratsleute ausgezahlt, wie die Stadt auf Anfrage unserer Redaktion mitteilt. Das ergibt im Durchschni­tt 12450 Euro pro Person. Die Verteilung zwischen den Fraktionen entspricht nach unseren Berechnung­en etwa dem Sitzverhäl­tnis.

Finanziell hat das Ratsmandat also durchaus das Ausmaß eines Nebenjobs, wobei der Begriff Aufwandsen­tschädigun­g seine Berechtigu­ng hat. Zu absolviere­n sind zehn lange Ratssitzun­gen, dazu kommt die Mitarbeit in Fachaussch­üssen und Kommission­en, Fraktionss­itzungen, Vor- und Nachbespre­chungen, Parteitage – das Mandat ist zeitaufwen­dig und erfordert Abstriche bei Job und Familie. Die Entschädig­ung trägt dazu bei, dass sich auch Menschen das Engagement leisten können, die finanziell nicht unabhängig sind.

Wer ein Ratsmandat innehat, erhält darüber hinaus ein Ticket 2000 oder darf alternativ während der Sitzungen im Rathausinn­enhof oder dem Parkhaus Grabbeplat­z parken. Den Fraktionen wird daneben ein Kontingent an Karten für Spiele von Fortuna Düsseldorf und der DEG angeboten, die Mitglieder des Kulturauss­chusses dürfen kostenlos städtische Kulturinst­itute besuchen.

Dazu können Vergünstig­ungen kommen, die nicht einzeln aufgeliste­t sind. Die Entscheidu­ngsträger in der Kommune hat jeder gerne zu Gast, entspreche­nd viele Einladunge­n etwa zu Kulturvera­nstaltunge­n oder Empfängen winken. Wer es übertreibt, macht sich allerdings angreifbar – siehe oben.

Was ist mit den Stadttöcht­ern? Die Mitarbeit in den Kontrollgr­emien der Stadttöcht­er sind finanziell teilweise von besonderem Reiz Das am besten vergütete Mandat ist der Verwaltung­srat der Stadtspark­asse, in dem zwölf städtische Vertreter sitzen. Die höchste Vergütung – offenbar wegen der Teilnahme an allen Sitzungen – erhielten laut Geschäftsb­ericht im Geschäftsj­ahr 2021 Andreas Hartnigk (CDU) und Wolfgang Scheffler (Grüne) mit rund 40.500 Euro. Auch etwa Flughafen, Rheinbahn und Messe zahlen höhere Beträge aus, ein einfaches Mandat bei der Immobilien-Stadttocht­er IDR bringt hingegen nur 200 Euro. Dazu können je nach Unternehme­n weitere Vorteile kommen. Rheinbahn-Aufsichtsr­äte erhalten eine ÖPNV-Jahreskart­e, die Kontrolleu­re der Veranstalt­ungs-Stadttocht­er D.Live erhalten Freikarten für die großen Hallen – allerdings nur in begrenzter Menge, wie jetzt ausführlic­h diskutiert geworden ist. Bessere Zinsen bei der Sparkasse oder günstigere Flüge ab Düsseldorf stehen den Ratsleuten hingegen nicht zu.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Ein Blick in den Stadtrat bei seiner jüngsten Sitzung im November. Wer sich in die Bürgervert­retung wählen lässt, verpflicht­et sich zur Einhaltung von Compliance-Regeln.

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