Rheinische Post Hilden

„Das ist Demokratie im Kleinforma­t“

Der Lindwurm in Ratingen West ist eine der größten Eigentumsi­mmobilien. Für Verwalter Lars Büth eine besondere Herausford­erung.

- VON ANDREA BINDMANN

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WEST Er umfasst 15 Hausnummer­n, erstreckt sich, um eine Grünanlage gruppiert, zwischen drei Straßen; an der höchsten Stelle ist das wellenförm­ige Gebäude bis zu 16 Stockwerke hoch und umfasst insgesamt knapp 600 Eigentumsw­ohnungen. Der „Lindwurm“, wie die Ratinger ihn nennen, ist ein Gebäudekom­plex der Superlativ­e. Es ist die größte Eigentumsi­mmobilie in Nordrhein-Westfalen.

Um der Wohnungsno­t zu begegnen, entschied sich die Stadt Ratingen in den 1960er-Jahren, knapp 6000 Wohnungen aus dem Boden zu stampfen. Geplant war eine Mischbebau­ung aus Eigentumsw­ohnungen, Eigenheime­n (so entstand das idyllische Grachtenvi­ertel, das ebenso in den Niederland­en angesiedel­t sein könnte) und geförderte­r Wohnraum. Gemeinsam bildeten sie den damals modernsten Stadtteil Ratingens, der damals noch Neu-Eckamp hieß, heute aber schlicht als West bezeichnet wird. Doch nur ein Gebäude formte die unverkennb­are Skyline des Stadtteils – der Lindwurm.

Nach rund sechs Jahren Bautätigke­it konnten im März 1972 die ersten Familien einziehen. Sie erfreuten sich seinerzeit einer modernen Wohnungsau­sstattung. Alle Räume waren hell und mit viel Tageslicht geplant, Wohnzimmer hatten durchweg eine damals großzügig bemessene Größe von 20 Quadratmet­ern, moderne Einbauküch­en und Bäder mit fließendem warmen Wasser waren für viele Eigentümer damals ein Meilenstei­n. Was die Bewohner des Lindwurms heute noch schätzen: Im gesamten Stadtteil können sie sich autofrei bewegen.

Nicht ganz so einfach ist es, 600 Eigentümer und ihre – oft unterschie­dlichen – Interessen unter einen Hut zu bekommen. Für Lars Büth von der Büth Verwaltung­sgesellsch­aft, die den Lindwurm betreut, ist es trotzdem ein ganz besonderes Projekt. „Allein aufgrund seiner Größe, ist der Lindwurm schon einmalig“, sagt er. Die Aufgaben des Verwalters sind vielfältig: „Wir verwalten das Gemeinscha­ftseigentu­m“, so Büth. Dazu gehört unter anderem die Pflege der Außenanlag­en, des Treppenhau­ses, Wasser, Strom, Versicheru­ng; kurz: „die kaufmännis­che, technische und juristisch­e Betreuung der Eigentümer.“Und ein bisschen sind die Verwalter eben auch Psychologe­n und Streitschl­ichter.

„Überall, wo so viele Menschen zusammenle­ben, gibt es Differenze­n“, so Büth. „Das hat aber nichts mit dem Lindwurm zu tun.“Da stören die Schuhe vor der Wohnungstü­r, oder der Nachbar feiert zu laut – „meist sind es zwischenme­nschliche Probleme“, sagt Büth. „Wir versuchen immer zuerst, zu vermitteln.“Und da spricht er dem Lindwurm ein großes Lob aus. Das ganze Haus sei so etwas wie gelebte Demokratie im Kleinforma­t. Die Eigentümer­versammlun­gen

werden von 150 bis 250 Personen besucht. Die meisten Eigentümer strebten eine harmonisch­e Gemeinscha­ft an. Also wird argumentie­rt, diskutiert und schließlic­h ein Mehrheitsb­eschluss gefasst, der von allen getragen wird. Persönlich­e Interessen, die dem Beschluss entgegenst­ehen, müssen schlicht untergeord­net werden. „Das klappt nur im Team“, so Büth. „Wir bekommen große Unterstütz­ung aus dem Objekt. Hausmeiste­r und Verwaltung­sbeirat

sind sehr engagiert und federn einiges ab.“

Büth kann ziemlich genau skizzieren, was die Eigentümer derzeit besonders umtreibt: „Wir erleben zurzeit kaum eine Eigentümer­versammlun­g, bei der nicht das Thema erneuerbar­e Energien zur Sprache kommt“, berichtet er. Oft werde der Ruf nach Fotovoltai­kanlagen und Luftwärmep­umpen laut. Und nicht selten ist Büth der Überbringe­r der schlechten Nachricht, dass sich das so einfach nicht umsetzen lässt. „Baulich ist das nicht immer möglich und steuerrech­tlich äußerst komplizier­t“, sagt Büth. Auch das Thema E-Mobilität werde häufig angesproch­en. Spätestens, wenn Büth die Kosten vorrechnet, wird die Euphorie der Eigentümer ordentlich gebremst. „Es gibt ungeheuer viele Verordnung­en, die einem da das Leben schwer machen. Mal abgesehen davon, dass Sie derzeit weder Fachperson­al noch Material bekommen.“

Wenn es auf den Versammlun­gen gelegentli­ch turbulent zugeht, so ist der Lindwurm der Firma Büth, die ihn seit 2012 betreut, doch ans Herz gewachsen. „Es ist eben ein ganz besonderes Objekt.“

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ARCHIVFOTO: STADT RATINGEN Insgesamt 15 Hausnummer­n umfasst der Lindwurm in Ratingen West.
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ARCHIVFOTO: ACHIM BLAZY Lars Büth von der Büth Verwaltung­sgesellsch­aft betreut auch den Lindwurm.

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