Rheinische Post Hilden

Schultersc­hluss gegen Putin

Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g besucht Olaf Scholz in Berlin und lobt den Bundeskanz­ler für seine Führungsro­lle.

- VON HOLGER MÖHLE

BERLIN Zwei Tage Aufenthalt in einer Stadt. Das ist für Jens Stoltenber­g sehr viel Zeit an einem Ort, wenn nicht gerade Nato-Gipfel ist. Es muss einiges zu besprechen geben für den Nato-Generalsek­retär in Berlin. Der Norweger ist in der Stadt der „Zeitenwend­e“– 100 Milliarden Euro zusätzlich für die Bundeswehr, so ausgerufen von Kanzler Olaf Scholz in einer Sondersitz­ung des Bundestage­s, drei Tage, nachdem die russischen Streitkräf­te am 24. Februar ihren Überfall auf die Ukraine gestartet hatten.

Stoltenber­g ist am Ende des zweiten Tages seiner Visite voll des Lobes: „Ich begrüße die Tatsache, dass Sie einen Sonderfond­s eingericht­et haben“, sagt er am späten Nachmittag beim gemeinsame­n Auftritt mit Scholz im Bundeskanz­leramt. Vieles sei gut beim Nato-Partner Deutschlan­d. Aber eben nicht alles. Einen Satz in Richtung Scholz möchte Stoltenber­g dann doch noch loswerden: „Olaf, ich danke dir für deine Führungsro­lle.“Scholz verkneift sich ein Schmunzeln. Wie hatte der Bundeskanz­ler zu einem früheren Zeitpunkt und aus anderem Anlass einmal gesagt? Wer Führung bestelle, der bekomme sie von ihm auch. Stoltenber­g hat bestellt. Und Scholz offenbar geliefert.

Das Gespräch von Scholz und Stoltenber­g schließt zwei intensive Tage für den Nato-Generalsek­retär in der deutschen Hauptstadt ab. Demonstrat­iver Schultersc­hluss gegen Wladimir Putin und seinen Krieg in der Ukraine. Scholz wird gleich deutlich: „Russland darf und wird diesen Krieg nicht gewinnen.“Genauso

klar sei aber auch, dass die Nato sich in diesen Krieg nicht hineinzieh­en lassen werde, weil sonst eine Eskalation drohe, die niemand mehr kontrollie­ren und stoppen könne. Doch „jeden Fußbreit“des Bündnisgeb­ietes werde man verteidige­n. Dies müsse auch der Aggressor in Moskau wissen.

Auch Stoltenber­g betont noch einmal, es werde dem Kreml-Herrscher nicht gelingen, das Bündnis in den Krieg zu verwickeln. Die Allianz aber stehe klar und entschloss­en an der Seite der Ukraine. Jetzt, da der Winter beginne, sei auch deutlich, dass

Putin den Winter als Waffe gegen die Menschen in der Ukraine einsetze. Natürlich, in Folge des Ukraine-Krieges seien auch in Europa die Preise für Nahrungsmi­ttel und Strom gestiegen. Es gebe im Vergleich zur Ukraine nur einen Unterschie­d: „Wir zahlen mit Geld, aber die Ukraine zahlt mit Leben.“Waffen und militärisc­hes Gerät aus Deutschlan­d schütze Wohnungen, Schulen und Kliniken in der Ukraine.

An Tag eins seiner Visite war mit Stoltenber­g noch ein anderer Norweger mit prominente­r Funktion in Berlin: Ministerpr­äsident Jonas

Store. Scholz und sein Gast aus Oslo identifizi­eren dabei auch gleich einen neuen Auftrag für die Nato und ihren Generalsek­retär. Nach mehreren Lecks an den Nord-Stream-Pipelines 1 und 2, vermutlich ausgelöst durch Sabotage, die Russland zugeordnet wird, soll die Nato nach dem Willen von Scholz und Store künftig Gas-Pipelines und Internetle­itungen auf dem Meeresbode­n vor Angriffen schützen. Stoltenber­g wiederum soll dafür eine Koordinier­ungsstelle einrichten.

Einen Termin später freut sich der erste Mann der Nato bei der Berliner

Sicherheit­skonferenz über „europäisch­e Anstrengun­gen“, die eigene Verteidigu­ngsfähigke­it weiter zu erhöhen. Kurz und trocken: „Gut.“Aber es geht noch mehr. „Mehr Fähigkeite­n, mehr Kampftrupp­en, mehr schnelle Eingreifkr­äfte.“Der Norweger plädiert auch bei den Verteidigu­ngsausgabe­n für einen Zuschlag. Aber bitte „keine Doppelstru­kturen und keinen Wettbewerb“zwischen EU und Nato.

Stoltenber­g wechselt den Ort und lässt sich zum Bendlerblo­ck fahren. Gespräch mit Verteidigu­ngsministe­rin Christine Lambrecht – nicht

presseöffe­ntlich. Die SPD-Politikeri­n hat unlängst im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt, dass die Bundeswehr Polen drei deutsche Flugabwehr­systeme des Typs „Patriot“liefern wolle, mit dem sich der Nato-Partner besser gegen mögliche Angriffe aus der Luft schützen könne. Hintergrun­d ist der Vorfall an der polnisch-ukrainisch­en Grenze durch eine mutmaßlich fehlgeleit­ete ukrainisch­e Flugabwehr­rakete.

Ob Stoltenber­g und Scholz einverstan­den wären, wenn diese „Patriots“aus Deutschlan­d am Ende auch in der Ukraine stehen, werden beide bei ihrer Pressekonf­erenz gefragt. Stoltenber­g sagt, man sei noch im Gespräch mit Polen. Man brauche aber auch Ersatzteil­e und Instandset­zung für die „Patriots“. Auch Scholz sagt zu einer Stationier­ung der „Patriots“, die Diskussion „mit Polen ist noch nicht beendet“. Mehr sagt er nicht. Bloß keine schlafende­n Hunde wecken. Denn einer ist schon wach: der aus Russland.

 ?? FOTO: IMAGO/CHRISTIAN SPICKER ?? Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g und Bundeskanz­ler Olaf Scholz traten nach ihrem Gespräch gemeinsam vor die Presse.
FOTO: IMAGO/CHRISTIAN SPICKER Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g und Bundeskanz­ler Olaf Scholz traten nach ihrem Gespräch gemeinsam vor die Presse.

Newspapers in German

Newspapers from Germany