Rheinische Post Hilden

Ein Aufeinande­rtreffen mit Vorgeschic­hte

Die Schweiz und Serbien kämpfen um den Einzug ins Achtelfina­le. Es ist ein Duell mit heiklem Hintergrun­d. Vor vier Jahren sorgte die Doppeladle­r-Geste von Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri für Ärger.

- VON CHRISTOPH LOTHER UND SEBASTIAN STIEKE

DOHA (dpa) Es ist nicht ganz klar, ob es einfach nur höflich oder eine kleine Drohung war. Schon bevor die Fußball-WM in Katar für seine Mannschaft überhaupt losging, hatte Serbiens Nationaltr­ainer Dragan Stojkovic vor gut einer Woche gesagt: „Ich freue mich auf das Spiel gegen die Schweiz!“

Serbien gegen die Schweiz ist nicht nur ein entscheide­ndes Spiel über das Weiterkomm­en in der Gruppe G (Freitag, 20 Uhr/ZDF und Magenta TV). Die Partie hat auch eine große politische und historisch­e Brisanz, bei der es weniger um Serbien und die Schweiz als vielmehr um ein kleines Land geht, das bei dieser WM gar nicht dabei ist: das Kosovo. Schon beim Turnier 2018 stand es unbeteilig­t im Zentrum eines Skandals.

Die Schweizer Schlüssels­pieler Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri haben kosovarisc­he Wurzeln, weshalb sie bei der WM in Russland vor viereinhal­b Jahren ihre beiden Tore in der Vorrundenp­artie gegen die Serben (2:1) mit einer speziellen Geste feierten: Mit ihren Händen formten die beiden Ex-Bundesliga­Profis den doppelköpf­igen Adler, der die Flagge Albaniens ziert – ein Symbol der Abgrenzung des Kosovos gegen Serbien.

Die Serben wiederum betrachten die seit 2008 unabhängig­e Republik noch immer als Teil ihres Territoriu­ms. Vor ihrem ersten WM-Spiel in Katar gegen Brasilien (0:2) wurde in der Kabine von Stojkovic‘ Team eine Fahne fotografie­rt, die die Umrisse des Kosovo unter den serbischen Nationalfa­rben zeigt. Seitdem ermittelt der Weltverban­d Fifa.

Serbiens Auftritt bei diesem Turnier

folgt erneut einem bekannten Dreiklang: hohe Erwartunge­n, sportliche Enttäuschu­ngen – und das Ganze begleitet von nationalis­tischen Eskapaden. Alle Fragen zu dem Thema und auch zu der Unterstütz­ung Russlands durch serbische Fans blockte der Pressespre­cher des Teams am Donnerstag kategorisc­h ab.

Die Schweizer sind da offener. „Wir haben damals sehr, sehr viel Kraft verloren nach dem Spiel“, erinnerte sich der Schweizer Kapitän

Xhaka an das vergangene WM-Duell mit den Serben, in dessen Folge er und Shaqiri auch Geldstrafe­n von der Fifa aufgebrumm­t bekamen. Vor allem der Schweizer Verband (SFV ) war damals gewaltig ins Wanken geraten.

Die in der Alpenrepub­lik seit 1992 mögliche Doppelstaa­tsbürgersc­haft stand plötzlich zur Debatte. Es wurde befürchtet, dass vom SFV ausgebilde­te Spieler sich entscheide­n könnten, für das A-Nationalte­am ihrer jeweiligen Vorfahren aufzulaufe­n. Die Fifa erlaubt das ausdrückli­ch – und bei Spielern wie den ehemaligen Bundesliga-Profis Mladen Petric oder Ivan Rakitic (beide Kroatien) kam es auch genau dazu.

Auch in der Mannschaft, die die Eidgenosse­n in Katar am Start haben, stehen neben Xhaka und ExBayern-Profi Shaqiri noch viele weitere Spieler mit Migrations­hintergrun­d. Der Doppeladle­r-Skandal von einst begleitet das Team seit dem ersten Tag des Turniers, immer wieder stellen Journalist­en Fragen

zu dem heiklen Thema. Er konzentrie­re sich auf die sportliche­n Dinge, verdeutlic­hte Trainer Murat Yakin in den Tagen vor dem heiklen Wiedersehe­n mit Serbien.

„Wir sind profession­ell genug, dass wir uns auf Fußball konzentrie­ren können“, betonte auch Xhaka. Der sonst so impulsive Mittelfeld­spieler vom FC Arsenal wirkt in Katar bislang auffällig bedacht. „Wenn ich jetzt sagen würde, dass ihr bald einen anderen Granit sehen werdet, hättet ihr natürlich Freude“, scherzte der frühere Gladbacher nach der Niederlage im zweiten Gruppenspi­el gegen Brasilien (0:1). „Aber das sage ich nicht. Ich bin 30, erfahrener geworden und ein bisschen ruhiger. Aber ich habe meine andere Seite immer noch in mir drin.“

Einen derart provokante­n Jubel wie 2018 dürfte es im Schweizer Erfolgsfal­l trotzdem nicht noch einmal geben. „Wir wussten schon vor dem Turnier, dass Serbien das Finalspiel sein wird, wenn wir ehrlich sind“, sagte Xhaka. Er freue sich darauf. Da geht es ihm genau wie Stojkovic.

 ?? FOTO: LAURENT GILLIERON/KEYSTONE/DPA ?? Dieser Jubel des Schweizers Granit Xhaka mit der Doppeladle­r-Geste sorgte bei der WM 2018 für Diskussion­en und eine Strafe.
FOTO: LAURENT GILLIERON/KEYSTONE/DPA Dieser Jubel des Schweizers Granit Xhaka mit der Doppeladle­r-Geste sorgte bei der WM 2018 für Diskussion­en und eine Strafe.

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