Ghana trifft Suárez wieder
Bei dem Turnier 2010 entschied der Stürmer mit einem Handspiel das Viertelfinale für Uruguay.
AL-WAKRA (dpa) Reue zeigt Luis Suárez zwölf Jahre nach seiner gefeierten wie verhassten WM-Heldentat keine. Er müsse sich nicht entschuldigen, wiegelte der polarisierende Stürmer Uruguays am Tag vor dem brisanten Wiedersehen mit Ghana ab. „In dieser Situation habe ich Rot bekommen, der Schiedsrichter hat auf Elfmeter entschieden. Es ist nicht mein Fehler, weil ich den Elfmeter nicht verschossen habe“, erinnerte Suárez an einen tränenreichen Turniertag für Ghana und einen großen für ihn selbst bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika.
Vor dem Alles-oder-Nichts-Spiel am Freitag (16 Uhr/ZDF und Magenta TV ) im Al-Dschanub-Stadion liegt dieses denkwürdige Kapitel mit dem Hauptdarsteller Suárez, der bei der WM von 2014 nach einem Biss in die Schulter des Italieners Giorgio Chiellini endgültig den Stempel als WM-Badboy aufgedrückt bekam, lange zurück. Viele aktuelle Akteure – vor allem aus dem Kader von Ghana – waren da noch Kinder. Im Soccer City Stadion von Johannesburg verhinderte Suárez im dramatischen Viertelfinale bei der Endrunde 2010 wenige Sekunden vor dem Elfmeterschießen per Hand auf der Linie das sicher geglaubte Siegtor der Afrikaner.
„Die Hand des Teufels“, schrieb die seriöse südafrikanische „Sunday Times“seinerzeit.
„Ich habe den Ball mit der Hand gespielt, Ghanas Spieler hat den Elfmeter verschossen – nicht ich. Wenn ich einen Spieler attackiere, ihn verletzte und dann Rot sehe, dann kann man sich vielleicht entschuldigen“, sagte der 35-Jährige am Donnerstag in Al-Rajjan. Asamoah Gyan vergab damals den Strafstoß und damit das erste Halbfinale einer afrikanischen Mannschaft. Im anschließenden Elfmeterschießen gewann Uruguay. Der wegen des Handspiels vom Platz gestellte Suárez feierte ausgelassen mit den Teamkollegen, Gyan brach mit Weinkrämpfen zusammen.
Und jetzt soll all das kein Thema mehr sein? Das behaupten zumindest die Protagonisten. „Was 2010 passiert ist, ist sehr traurig. Aber wir können es nicht ändern“, sagte Ghanas Trainer Otto Addo gut 24 Stunden vor dem Anpfiff. „Wenn der gleiche Vorfall umgekehrt passiert wäre und Ghana es ins Halbfinale geschafft hätte, dann würde jeder in Ghana sagen, dass es eine normale Sache war. Für mich war es ein sehr trauriger Tag, als ich das Spiel gesehen habe. Aber jetzt ist es ein Match wie jedes andere Match auch.“
Das dürften viele Fans anders sehen, denn es war ein Stich ins Herz eines ganzen Fußball-Kontinents. Dass Ghana nun ein Punkt für das Achtelfinale reicht und die bislang im Turnier enttäuschenden Südamerikaner gewinnen müssen, lässt die Anhänger auf eine schmerzlindernde Revanche hoffen. „Ich bin keine Person, die nach Rache sucht, und als starker Gläubiger, wenn Sie nicht nach Rache für diese Dinge suchen, erhalten Sie manchmal mehr Segen von Gott“, sagte Addo.
Um Gott ging es auch damals. „Am Ende ist die Hand Gottes jetzt meine“, sagte Suárez nach dem Elfmeterkrimi in Anspielung auf das Handtor des Argentiniers Diego Maradona 1986 bei der WM in Mexiko.
In Südafrika begann – auch dank des jungen Suárez – mit Platz vier eine in der Heimat frenetisch bejubelte Phase der uruguayischen Nationalmannschaft, die danach immer mindestens ins Achtelfinale einzog. Und diesmal? Diesmal spricht nach den bisherigen Turnierleistungen nicht viel für ein Weiterkommen des alternden Ensembles um Rekordnationalspieler Diego Godín (36). Außer vielleicht unfassbar viel Erfahrung.
Suárez, viele Jahre Stürmer bei Weltklubs wie Ajax Amsterdam, dem FC Liverpool, dem FC Barcelona und Atlético Madrid, enttäuschte im bisherigen Turnierverlauf ebenso wie etwa Edinson Cavani, einst ruhmreicher Angreifer in Neapel, Paris oder Manchester. „Wir werden jene Dinge korrigieren, die wir schlecht gemacht haben und versuchen, es besser zu machen, um das nächste Spiel zu gewinnen“, sagte der 35-jährige Cavani.
Ein Punkt aus zwei Spielen lautet die magere Ausbeute der Südamerikaner, die noch ohne Tor sind. Ghana hat drei Zähler auf dem Konto. Tabellenführer Portugal ist bereits durch. Ein Sieg der Südamerikaner ist also Pflicht – aber das Weiterkommen hängt auch vom Ergebnis zwischen Portugal und Südkorea ab.