Rheinische Post Hilden

Die sanfte Stimme von Fleetwood Mac

Christine McVie ist gestorben. Die 79-Jährige schrieb Hits wie „Little Lies“und „Don’t Stop“.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

DÜSSELDORF Die schönsten Momente im Werk der Band Fleetwood Mac sind jene, in denen die Elfenstimm­e von Christine McVie und das Überschall-Organ von Stevie Nicks gemeinsame Sache machen. Man kann das sehr schön an dem Hit „Little Lies“aus dem Jahr 1987 beobachten. McVie siedelt den Song über Verlieben und Entlieben im englischen Morgennebe­l an. Alles ist vage und romantisch, barfüßige Feen versammeln sich zum Background-Chor. Dass das Stück nie die Grenze zum Kitsch überschrei­tet, liegt an Stevie Nicks, die mit wenigen eingestreu­ten Vocals Stacheldra­ht im Paradies verlegt.

Christine McVie war die sanfte Stimme einer der erfolgreic­hsten Gruppen aller Zeiten. Sie wurde als Christine Perfect in England geboren und gehörte zur Band Chicken Shack, die gemeinsam mit Fleetwood Mac auftrat. Es waren die späten 60er-Jahre, und Fleetwood Mac waren noch nicht die Mainstream-Hitmaschin­e späterer Jahre, sondern eine Bluesrock-Band, deren Kopf Peter Green bis heute verehrt wird. Christine Perfect heiratete 1968 den Fleetwood-MacBassist­en John McVie und schloss sich der Gruppe ihres Mannes an.

Es gibt einige Bands, die sich nach Umbesetzun­gen und Stilwechse­ln so stark erneuern, dass das Frühwerk und spätere Produktion­en kaum mehr als der Name eint. Genesis mit und ohne Peter Gabriel sind ein Beispiel, und bei Fleetwood Mac markieren der Ausstieg von Peter Green und der Umzug in die USA den Wechsel. In Kalifornie­n stießen Stevie Nicks und Lindsay Buckingham dazu, und in dieser Besetzung produziert­en sie unter anderem „Rumours“, eines der meistverka­uften Alben in der Geschichte des Rock. Christine McVie schrieb den ersten Hit dieser neuen Phase:„Over My Head“.

Die Großtaten von Fleetwood Mac wurden zumeist von ebenso großen persönlich­en Dramen begleitet. Die Aufnahmen zu „Rumours“müssen die Hölle gewesen sein. Die Frau von Mick Fleetwood hatte ihn mit seinem besten Freund betrogen. Stevie Nicks und Lindsey Buckingham trennten sich. Und Christine und John McVie ließen sich scheiden. Tagsüber schossen sie sich mit Kokain und Brandy ab. Und ab zwei

Uhr nachts, wenn sie wieder klar waren, schrieben sie im sechs mal neun Meter großen Aufnahmera­um Lieder, in die sie Schmerz und Hass gossen: „You Can Go Your Own Way“, „Never Going Back“.

McVie blieb auch in Kalifornie­n die Britin der Band. Ihre Kompositio­nen haben etwas Traumhafte­s, sind übersetzte­s Gefühl. Sie schrieb „Don’t Stop“, das sie im Duett mit Lindsay Buckingham einspielte. „Yesterday’s Gone“singen sie, und John, der Mann, von dem sich McVie damals trennte, liefert dazu eine meisterlic­he Rhythmusar­beit.

In den 80er-Jahren feierten Fleetwood Mac ein Comeback und erschlosse­n sich ein jüngeres Publikum mit Radiohits, an denen Christine McVie großen Anteil trägt. „Everywhere“und „Little Lies“sind die populärste­n.

Sie trennte sich von Fleetwood Mac, kam wieder zurück. Es ging in dieser Band hin und her, der ständige Wechsel sorgte für Dauer. Nachgebore­ne Kolleginne­n wie Haim und Florence Welch verneigten sich vor diesem Werk. Nun ist Christine McVie nach kurzer Krankheit gestorben. Sie wurde 79 Jahre alt.

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FOTO: HENNING KAISER/DPA Die Musikerin Christine McVie von der Band Fleetwood Mac bei einem Auftritt 2015 in Köln.
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FOTO: ANDREAS KREBS Martin Kessler leitet bei der RP das Ressort Politik/ Meinung und ist 63 Jahre alt.

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