Rheinische Post Hilden

So hilft die Tafel Hunderten Hildenern

Pro Ausgabetag kommen über 100 Menschen zur Hildener Tafel - und rund 20 Ehrenamtle­r. Einer von ihnen ist Kajo Töller.

- VON DAVID GRZESCHIK

HILDEN Über zu wenige Paprikas kann Kajo Töller zurzeit nicht klagen. Die Lebensmitt­elkisten sind auch an diesem Donnerstag­morgen gut mit vornehmlic­h roten Exemplaren gefüllt. Auch an Rosenkohl mangelt es eigentlich nicht. „Den wollen viele aber gar nicht haben“, sagt Töller, Mitglied im Leitungste­am der Hildener Tafel, und schmunzelt. Ob es am Geschmack liegt oder an der aufwändige­n Verarbeitu­ng? „Ich mag Rosenkohl“, sagt Töller.

Rund 20 Ehrenamtle­r sind heute gemeinsam mit Töller im Einsatz. Sie befüllen Lebensmitt­elkisten zum Beispiel mit Backwaren, Obst und Gemüse. Sie bereiten alles vor, sorgen für Nachschub und räumen nachher wieder auf. Zweimal pro Woche, immer dienstags und donnerstag­s, gibt die Hildener Tafel Lebensmitt­el aus.

Es ist gerade kurz vor zehn Uhr vormittags, in wenigen Minuten beginnt die Lebensmitt­elausgabe. Wie immer werden auch heute 120 bis 130 Personen Lebensmitt­el für ihre Bedarfsgem­einschafte­n abholen. Geht man davon aus, dass in jeder Bedarfsgem­einschaft im Schnitt zwei bis drei Leute leben, bedeutet das Lebensmitt­el für mehr als 300 Personen. Dreieinhal­b Stunden lang haben Berechtigt­e Zeit, um vorbeizuko­mmen. Währenddes­sen behält Kajo Töller die Gesamtlage im Blick

Der 77-Jährige ist für die Tafel in Hilden seit ihrer Gründung im Jahr 2005 engagiert. „Ich bin damals zu einem ersten Planungstr­effen hingegange­n, von dem ich aus der Zeitung erfahren hatte. Seitdem bin ich dabei“, sagt er. In seinem früheren Leben war Töller Banker und lebte in Düsseldorf. „Wer zu uns kommt, möchte etwas Sinnvolles tun“, sagt er.

Um zehn Uhr stehen die ersten vor der Tür. Überwiegen­d Frauen, gemischtes Alter. Sie gehen herein, treten an eine Theke vor und zeigen ihren Berechtigu­ngsausweis. Dann entrichten sie einen Kostenbeit­rag: 2,50 Euro für Erwachsene, 50 Cent für Kinder. Eine Dame hat ihren Ausweis heute nicht dabei, zeigt nur ein Foto der Karte auf ihrem Smartphone vor. „Das akzeptiere­n wir eigentlich nicht“, sagt einer der Ehrenamtle­r. Heute macht er eine Ausnahme. Die Frau darf dennoch Lebensmitt­el mitnehmen.

„Das Geld nutzen wir, um einen Teil unserer Kosten zu decken“, sagt Töller. Aufgestock­t wird mit Spenden. Der Träger der Tafel behält sich im nächsten Jahr eine moderate Erhöhung des Kundenbeit­rags vor – abhängig von der zu befürchten­den Preis- und Kostenentw­icklung. Nachgedach­t wird gerade über 50 Cent. „Die Leute sind durch die Inflation schon belastet, in dieser Situation wollen wir den Betrag nicht zu stark erhöhen“, sagt Töller.

Aktuell sind im System der Hildener Tafel knapp 900 Personen vermerkt – mehr geht nicht. Deshalb

hat die Hildener Tafel bereits seit Mai einen Aufnahmest­opp verhängt. Damals lag die Zahl der Tafelkunde­n bei fast 1000. Knapp 390 Tafelkunde­n sind zurzeit Ukrainer – etwas weniger als noch vor einem halben Jahr, als man rund 420 Menschen aus der Ukraine zählte.

Wer seinen Berechtigu­ngsausweis vorgezeigt hat, darf in den Innenhof vortreten. Dort bekommt er oder sie eine vorgepackt­e Kiste gereicht, deren Inhalt mitgenomme­n werden darf. Die Menschen packen ihre Lebensmitt­el in Taschen und Einkaufstr­olleys um. Was nicht gewünscht wird, kann in eine Kiste in der Mitte des Hofs gelegt werden – und landet häufig schnell bei neuen Interessen­ten. Es dauert keine zwei Minuten, bis zwei gerade zurückgege­bene Zucchini neue Abnehmer finden. Schließlic­h verlassen die Berechtigt­en die Räumlichke­iten der Tafel – bis zur nächsten Lebensmitt­elausgabe am Dienstag.

„Physisch bin ich nur zweimal pro Woche zu den Lebensmitt­elausgaben hier, gedanklich aber jeden Tag“, sagt Kajo Töller. Der 77-Jährige sagt, dass er mittelfris­tig einen geeigneten Nachfolger finden wolle, sich guten Gewissens zur Ruhe setzen möchte. Wann das sein wird? Ungewiss.

Gewiss dagegen ist, dass auch zur nächsten Ausgabe wieder viele Menschen kommen werden, die auf die Lebensmitt­el der Tafel angewiesen sind. Auf die Backwaren, Paprikas, Zucchini – und manchmal auch den Rosenkohl.

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FOTO: STEPHAN KÖHLEN Seit ihrer Gründung im Jahr 2005 ist Kajo Töller für die Hildener Tafel engagiert. „Physisch bin ich nur zweimal pro Woche zu den Lebensmitt­elausgaben hier, gedanklich aber jeden Tag“, sagt er.

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