Woody Allens letzter „Glücksfall“?
Nach Jahren hat der Regisseur wieder in Paris gedreht. Es ist sein erster Film auf Französisch – und könnte seinen Abschied von der Leinwand bedeuten.
(dpa) Fanny hat eigentlich alles, um glücklich zu sein: Ihr Mann Jean ist erfolgreich und vergöttert sie. Sie leben in Paris in einer Luxus-Wohnung in einem der schönsten Viertel der Stadt und verbringen ihre Wochenenden in ihrem schicken Landhaus. Doch die Welt der Reichen fängt an, Fanny zu langweilen. Eines Tages läuft ihr Alain über den Weg, ein alter Schulfreund.
„Ein Glückfall“ist ein typischer Woody-Allen-Film zwischen Romantik und Thriller. Die Tragikomödie gehört nicht zu der langen Liste der Top-Filme von Allen, auf der unter anderem „Der Stadtneurotiker“und „Manhattan“stehen. Mit 88 Jahren bleibt der New Yorker Regisseur dennoch ein Meister der Gesellschaftssatire.
Alain ist Schriftsteller und war schon in der Schule in Fanny verliebt. Fanny, die im Kunstmarkt arbeitet, verfällt seinem Charme und seinem bohemienhaften Lebensstil. Bald unzertrennlich, flirten die beiden in Parks und schlendern durch die herbstlichen Straßen von Paris. Fanny versucht weiterhin, die Mustergattin bei den von ihrem Mann organisierten gesellschaftlichen Empfängen zu spielen, doch kann sie ihre Zerrissenheit immer weniger vor ihm verbergen. Jean, der ebenso besitzergreifend ist wie manipulativ, wird misstrauisch. Er setzt einen Privatdetektiv auf sie und Alain an, der kurz danach kein Lebenszeichen mehr von sich gibt. Der preisgekrönte französische
Schauspieler Melvil Poupaud spielt den machiavellistischen Bürgerlichen, der den romantischen Liebhaber (Niels Schneider) seiner jungen und hübschen Frau Fanny (Lou de Laâge) verschwinden lässt.
In „Ein Glücksfall“geht Allen seinen üblichen Gedanken über Glück und die grausame Ironie des Schicksals nach. Dabei hat er das bürgerliche Milieu ins Visier genommen mit seiner Mondänität. Doch er reduziert sein Milieubild zu sehr auf eine Abfolge bürgerlicher Stereotype, denen er zu wenig Ironie und Sarkasmus beimischt.
Über zehn Jahre nach „Midnight in Paris“hat Allen wieder in der französischen Hauptstadt gedreht. Es ist sein erster Film auf Französisch und mit französischen Darstellern. Er habe nie geglaubt, dass er einmal die Möglichkeit haben würde, in einer anderen Sprache als Englisch zu drehen. Er habe jedoch festgestellt, dass er erkennen könne, ob ein Schauspieler glaubwürdig spiele oder nicht, erklärte Allen. Sie hätten improvisieren und sich natürlich ausdrücken können. Vielleicht fehlt es den Dialogen deshalb etwas an Biss.
Allen hat wegen Missbrauchsvorwürfen gegen ihn immer größere Schwierigkeiten, seine Filme finanziert zu bekommen, vor allem in den USA. Er hätte noch viele Filmideen, sagte er der Zeitschrift „Variety“, und würde gerne noch weiter machen. Aber er wisse nicht, ob er noch genügend Energie aufbringe, um die Gelder dafür zusammenzubringen. Mit „Ein Glücksfall“hat er seinen 50. und womöglich letzten Film gedreht. Der Altmeister tröstete sich auf der Pressekonferenz damit, dass, sollte er mit der romantischen Tragikomödie seine über 50-jährige Karriere beenden, es immerhin eine runde Zahl zum Aufhören sei. Sollte es wirklich sein letzter Film gewesen sein, dann wäre dies ein würdiger Abschied für die Regie-Legende.
„Ein Glücksfall“, Frankreich, 2023 – Regie: Woody Allen; mit Lou de Laâge, Melvil Poupaud, Niels Schneider, Valérie Lemercier; 93 Minuten