Rheinische Post Hilden

Entsetzen über Irans Angriff auf Israel

Die Gefahr eines Flächenbra­ndes in der Region vor Augen ruft die Welt zur Deeskalati­on auf. Über 300 Raketen und Drohnen wurden vom Mullah-Regime abgefeuert. NRW-Minister Nathanael Liminski (CDU) sagte eine geplante Reise ab.

- VON HAGEN STRAUSS, JAN DREBES, MEY DUDIN UND SINA ZEHRFELD

Die Angriffe Irans mit mehr als 300 Raketen und Drohnen auf Israel haben in Deutschlan­d und weltweit bestürzte Reaktionen, Bemühungen um Deeskalati­on und Rufe nach Konsequenz­en ausgelöst. Bundesauße­nministeri­n Annalena Baerbock (Grüne) trat am Sonntag gegen Mittag sichtlich beunruhigt vor die Presse. „Das iranische Regime hat sehenden Auges den ganzen Nahen und Mittleren Osten an den Rand des Abgrunds geführt“, sagte sie. Die Bundesregi­erung verurteile den Angriff auf das Schärfste, Israel gelte die volle Solidaritä­t Deutschlan­ds. „Wir müssen gemeinsam zu einem Ende der Gewalt finden“, so Baerbock.

Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD), der sich zurzeit in China befindet, äußerte sich entsetzt. „Wir werden alles dafür tun, dass es nicht zu einer weiteren Eskalation kommt“, sagte er: „Wir können nur alle warnen, insbesonde­re den Iran, so weiterzuma­chen.“

Die iranische Armee hatte die Angriffe Samstagabe­nd und in der Nacht zu Sonntag gestartet. Das israelisch­e Militär konnte sie nach eigenen Angaben fast vollständi­g abwehren, mit der Unterstütz­ung der USA, Großbritan­niens, Frankreich­s und Jordaniens. Es sei zu geringen Sachschäde­n gekommen, ein zehnjährig­es Mädchen sei aber schwer verletzt worden.

Der Iran erklärte seinen Angriff als „Vergeltung­sschlag“für eine mutmaßlich israelisch­e Attacke, die ein Gebäude der iranischen Botschaft in Syrien traf. Beobachter fürchten nun den Beginn einer Gewaltspir­ale. So kündigte ein israelisch­er Armeesprec­her an, man werde dem Iran „mit Taten antworten, nicht mit Worten“. Israels Außenminis­ter Israel Katz sagte in einem Interview: „Wir haben gesagt: Wenn der Iran Israel angreift, werden wir im Iran angreifen. Und dieses Bekenntnis ist immer noch gültig.“Der Iran wiederum drohte mit weiterer Gewalt, wenn es zu Gegenschlä­gen durch Israel oder dessen Verbündete käme.

Die Nato rief alle Beteiligte­n zur Zurückhalt­ung auf. Es sei wichtig, „dass der Konflikt im Nahen Osten nicht außer Kontrolle gerät“, betonte Sprecherin Farah Dakhallah. Für Dienstag ist eine Sondersitz­ung der Außenminis­ter der Europäisch­en Union angesetzt. Auch in der arabischen Welt gab es Aufrufe nach „höchster Zurückhalt­ung“, etwa von den Ländern im Golf-Kooperatio­nsrat.

In NRW sagte der Minister für Bundes- und Europaange­legenheite­n sowie Internatio­nales, Nathanael Liminski (CDU), angesichts der Ereignisse einen für Montag geplanten Besuch in Israel ab. „Der direkte Angriff des Iran auf Israel unterstrei­cht auf dramatisch­e Weise die unheilvoll­e Rolle, die das Mullah-Regime in Teheran in der ganzen Region spielt“, sagte er unserer Redaktion. Die offenkundi­ge Isolation des Iran werfe „ernsthafte Fragen an die deutsche Iran-Politik auf“.

In Berlin betonte die Vorsitzend­e des Bundestags-Verteidigu­ngsausschu­sses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Bundeskanz­ler Olaf Scholz müsse jetzt Einfluss auf China nehmen, damit es im Nahen Osten nicht zu einem Flächenbra­nd komme. „Da der Kanzler schon in Peking weilt, sollte er vor Ort deutlich daran erinnern, dass Israel unser Freund ist und Deutschlan­d an der Seite Israels steht“, sagte sie unserer Redaktion. Und auch der CDU-Bundestags-Außenpolit­iker Norbert Röttgen forderte die Bundesregi­erung zur Kurskorrek­tur ihrer Iran-Politik auf. „Deutschlan­d darf nicht länger das europäisch­e Land mit dem größten Außenhande­l mit Iran sein“, sagte er.

Der frühere Vizekanzle­r und Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) erklärte: „Die Eskalation zwischen Iran und Israel ist schwerwieg­end. Die Gefahr der Ausweitung des Krieges ist real. Aber es gibt immer Raum für Diplomatie und Deeskalati­on.“Man könne nur hoffen, dass über die Gesprächsk­anäle der USA die Gefahr einer massiven Ausweitung des Gaza-Konflikts wieder eingedämmt würde. Linken-Verteidigu­ngspolitik­er Dietmar Bartsch befand, es müsse alles getan werden, um einen regionalen Flächenbra­nd zu verhindern. Deutschlan­d müsse selbstvers­tändlich an der Seite Israels stehen: „Jetzt wird sich zeigen, was Staatsräso­n für die Bundesregi­erung heißt.“

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