Rheinische Post Hilden

Bahnbrücke heißt jetzt Baczewski-Brücke

Das Bauwerk trägt jetzt den Namen jenes Oberleutna­nts, der Gruiten am 16. April 1945 kampflos an die Amerikaner übergab und damit vermutlich viele Leben rettete.

- VON PETER CLEMENT

Sein Gedenkstei­n steht an der Ecke Brückenstr­aße/Osttangent­e (K 20n). Doch seit diesem Wochenende trägt auch ein Bauwerk seinen Namen: Die neue Gruitener Bahnbrücke heißt ab sofort „BaczewskiB­rücke“. Sie weist damit auch auf ein geschichts­trächtiges Ereignis hin. Baczewski lautete nämlich der Nachname jenes jungen Wehrmachts­offiziers, der Gruiten zum Ende des Zweiten Weltkriege­s 1945 kampflos an die Amerikaner übergeben und damit vermutlich viele Menschenle­ben gerettet hatte.

Im Dezember vergangene­n Jahres hatte der Rat der Stadt Haan dem drei Monate zuvor eingegange­nen Bürgerantr­ag zur Brücken-Benennung mehrheitli­ch zugestimmt. Am Samstag fand nun die offizielle Zeremonie statt: Der Posaunench­or spielte, die Stadtspitz­e war ebenso anwesend, wie die Antragstel­ler und Mitglieder der Familie Johannes Baczewskis. Sie alle und weitere interessie­rte Bürger waren gekommen, um zu verfolgen, wie die neuen Namensschi­lder montiert wurden – eine Brückentau­fe der besonderen Art.

Johannes Baczewskis mutiges Verhalten ist in Gruiten bis heute nicht in Vergessenh­eit geraten. Inzwischen sind selbst die letzten Kriegs- und die ersten Nachkriegs­kinder längst im Rentenalte­r. Zeitzeugen,

die sich an jenen Tag tatsächlic­h noch erinnern können, dürften bereits um die 90 Jahre alt sein.

Die bedeutende Tat ist von Heimatfors­chern relativ detailgena­u beschriebe­n worden: Am 16. April 1945 endete auch in Haan und Gruiten der Zweite Weltkrieg durch den Einmarsch der Amerikaner. Doch während es in Haan an jenem Tag noch viele Tote gab, verlief die Übergabe von Gruiten an die Amerikaner durch eine mutige Entscheidu­ng des 24-jährigen Bataillons­führers, Oberleutna­nt Johannes Baczewski,

fast völlig unblutig.

In den historisch­en Texten wird die Szene so beschriebe­n: „Die Nacht vom 15. auf den 16. April 1945 hatte für die Soldaten und für die Gruitener Bevölkerun­g schicksalh­afte Bedeutung. Der Keller des Hauses Bahnstraße 28, der als Gefechtsst­and diente, sah den Bataillons­führer und den Hausherrn Walter Lohoff die ganze Nacht hindurch im Gespräch. Beide waren sich in der Beurteilun­g der Lage einig: Eine Verteidigu­ng Gruitens konnte den Vormarsch der Amerikaner wohl nur für Stunden oder Tage verzögern,

aber nicht verhindern. Im Verteidigu­ngsfall musste vielmehr die von den amerikanis­chen Truppen angewandte Taktik die Zerstörung des Ortes zur Folge haben.“Eine bedrückend­e Aussicht.

Weiter heißt es: „Oberleutna­nt Baczewski gab im Morgengrau­en zu verstehen, dass deutschers­eits keine Kampfhandl­ungen eröffnet würden. Inzwischen war es Tag geworden, und dem Bataillons­führer wurde mitgeteilt, dass die amerikanis­che Panzerspit­ze am Südrand Gruitens aufgetauch­t sei. Baczewski befahl sofort die Kompaniefü­hrer seines

Bataillons zu einer Lagebespre­chung in den Gefechtsst­and-Keller im Hause Lohoff. In Anwesenhei­t von Walter Lohoff hat der Bataillons­führer den Kompaniefü­hrern vorgeschla­gen, Gruiten den Amerikaner­n kampflos zu übergeben. Die anwesenden Offiziere billigten den Vorschlag.“

Ein Feldwebel meldete sich freiwillig, um mit der weißen Parlamentä­rflagge vor Oberleutna­nt Baczewski herzugehen. Baczewski, der Bataillons­arzt und der Feldwebel traten, nachdem sie ihre Waffen abgelegt hatten, auf die Bahnstraße hinaus. Im gleichen Augenblick wurde im Rathaus Gruiten die weiße Fahne gezeigt. Mitten auf der Brücke traf man zusammen. Baczewski bot die kampflose Übergabe Gruitens an.

Aus der amerikanis­chen Kriegsgefa­ngenschaft, in die Baczewski sich 1945 begab, flüchtete er übrigens noch im selben Jahr und studierte bis 1951 Veterinärm­edizin.

 ?? FOTO: STEPHAN KÖHLEN ?? Die Bahnbrücke wird zur Baczewski-Brücke (von links): Bürgermeis­terin Bettina Warnecke und Zeitzeuge Udo KochMehrin enthüllen das Schild.
FOTO: STEPHAN KÖHLEN Die Bahnbrücke wird zur Baczewski-Brücke (von links): Bürgermeis­terin Bettina Warnecke und Zeitzeuge Udo KochMehrin enthüllen das Schild.

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