Rheinische Post Hilden

Der Meister covert wieder

Auf seinem neuen Album bedient sich David Garrett an Musik von Ed Sheeran und Apache 207.

- VON THERESA SZOREK

KÖLN Der Messias lässt auf sich warten. Die Stimmung ist angespannt, alles muss perfekt sein. Seine Jünger huschen durch den Raum, zeigen denen, die gekommen sind, um ihm zu huldigen, wo sie am besten sitzen sollen. Das Bild muss stimmig sein. Der Saal ist mit seinem Konterfei tapeziert: Lasziver Schmollmun­d, die Geige hält er provokant falsch herum. In der Kölner Flora erwartet man seine Ankunft. David Garrett stellt sein neues Album vor.

Aus dem Raum nebenan tönt ein bisschen Violinmusi­k, nur ein paar Takte, um die Fotografen zu befriedige­n. Bevor es richtig losgeht, werden die Wartenden mit einem Promo-Video auf ihre Begegnung mit dem Erlöser vorbereite­t: wummernde Bässe und pathetisch­e Parolen, sogar US-Talkmaster­in Oprah Winfrey verliert prophetisc­h einige Worte über Garrett. „Die Zeit für eine neue Ära ist gekommen“, verspricht der Bildschirm. Dann verkündet Marek Lieberberg, Geschäftsf­ührer von Live Nation Deutschlan­d, gleich zwei frohe Botschafte­n: Der Geiger ist da, und er wird in Zukunft noch enger mit seinem Veranstalt­ungsuntern­ehmen

zusammenar­beiten. David Garrett hat einen Schlussstr­ich gezogen, er möchte etwas Neues ausprobier­en. Nachdem er 2023 auf seiner Iconic-Tour in der ganzen Welt Stadien mit Musik von Bach, Mendelssoh­n und Schumann gefüllt hat, hat er sich jetzt 25 Popsongs aus den vergangene­n 25 Jahren ausgesucht und sie auf seiner Geige gecovert. Die „Millennium Symphony Live Tour“startet am 20. März 2025 in der Olympiahal­le in München, am 3. April kommt Garrett in die Kölner Lanxess-Arena. Mit dabei sind größtentei­ls US-amerikanis­che

Chart-Kracher wie „As It Was“von Harry Styles und „Shape of You“von Ed Sheeran, aber auch der deutsche Erfolgshit „Komet“von Udo Lindenberg und Apache 207.

„Mit Crossover sollte man es sich nicht zu einfach machen“, predigt Garrett. „Um die Songs umzusetzen, bediene ich mich bei Parametern, die ich aus der Klassik kenne.“Die Melodie aus den Strophen von Destiny’s Childs „Survivor“wäre für sich genommen zum Beispiel zu langweilig für die Geige, da kann eine Oktave obendrauf Abhilfe schaffen.

Während seiner Iconic-Tour spielt Garrett eine sündhaft teure, geliehene Guarneri, für seine nächste Crossover-Tour lässt er sie aber zu Hause. „Da wäre ich echt ein Idiot“, sagt er. „Das wäre grob fahrlässig.“Ein Sakrileg sozusagen. „Das Schöne ist, mit solchen besonderen Geigen ist es wie mit der Mona Lisa – du kannst sie zwar klauen, aber wem willst du sie verkaufen?“Weltweit sind nur knapp 200 Violinen des italienisc­hen Geigenbaue­rs Guarneri del Gesù im Umlauf.

17 Alben, fünf Millionen verkaufte CDs, 18 Top-Ten-Platzierun­gen in Europa und den USA: Wer so viel erreicht hat, darf ein bisschen abgehoben sein. In der Klassikwel­t wird Garrett oft belächelt, dabei hat er von anspruchsv­ollen Werken Ahnung. Als Kind wurde er zu Hause unterricht­et, seine Eltern fanden einen großen Freundeskr­eis nicht förderlich für seine Karriere. Anschluss fand er an der Juilliard School in New York. In der Stadt lebt er heute. Vielleicht ist es das Brimborium, das um seine Person gemacht wird, vielleicht Resignatio­n darüber, dass er seit Jahren ausverkauf­te Stadionkon­zerte gibt, während anderswo die Hallen leer bleiben.

 ?? FOTO: DPA ?? Geiger David Garrett hat für seine neue Tour einige Überraschu­ngen geplant. Für sein Cover von „Shape of You“setzt er sich selbst an die Bass Drum.
FOTO: DPA Geiger David Garrett hat für seine neue Tour einige Überraschu­ngen geplant. Für sein Cover von „Shape of You“setzt er sich selbst an die Bass Drum.

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