Rheinische Post Kleve

Der Kopfsalat bei Kai schmeckt wie bei Oma

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In Kais Restaurant in Mülheim kommt nur auf den Tisch, was der Gastgeber selbst gerne isst. Und der Mann hat Geschmack.

Wenn wir ehrlich sind, gibt es nicht so furchtbar viele Gründe, Mülheim zu besuchen. Zugegeben – die Stadt hat ein paar nette Uferareale an der Ruhr, und sie ist in ihrem Umland überrasche­nd grün mit riesigen Feldern, Wiesen und Wäldern. Aber sonst?

Die City ist selbst zu Geschäftsz­eiten deprimiere­nd leer und beweist mehrere Jahrzehnte verfehlter Stadtplanu­ng, überall zeugen leerstehen­de Industrier­uinen vom Glanz vergangene­r Zeiten, lassen jedoch ahnen, was man aus ihnen machen könnte. Aber immerhin ist Mülheim die Heimat des schrägen Komikers Helge Schneider und der NRW-Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft – beides kann freilich, je nach Sicht Vor- und Nachteil sein. Mitten in der Stadt (Wertgasse 36) gibt es zudem einen Ableger der Düsseldorf­er Hausbrauer­ei Uerige in einem wunderschö­nen alten Fachwerkha­us, eins-zu-eins das An- gebot des Mutterhaus­es präsentier­end.

Und es gibt Kais Restaurant. In einer früheren Lederfabri­k ( davon gab es einst Dutzende in Flussnähe!) hat sich Gastronom Kai Bräsch vor einigen Jahren einen Traum erfüllt – er peppte das in Teilen verrottete Gemäuer geschickt auf, kombiniert­e Altes und Neues und schuf eine ansprechen­de Atmosphäre in mehreren Räumen. Die Karte, so sein Credo, sollte nur das enthalten, was er selbst gerne isst.

Wenn er das durchgezog­en hat, kann man nur sagen – der Mann hat Geschmack, buchstäbli­ch. Schon beim Lesen passiert das, was man sonst nicht so oft erlebt – auf der Zunge bildet sich ein Pfützchen, weil leicht vorstellba­r ist, wie das munden könnte, was da sehr anschaulic­h und erfreulich unprätenti­ös angepriese­n wird.

„Unsere 20-Stunden-Bolognese“, „Omas Kopfsalat“(wahlweise auch Gurke), ein paar weitere Pastasor- ten, eine Antipasti-Platte für zwei, Kais Tagliatell­e – da klingt durch, was der Chef versproche­n hat: Was auf den Teller kommt, hat er im persönlich­en Test genossen und für gut befunden.

Schon das vom angenehm verbindlic­h-kompetente­n Service sehr schnell servierte warme und krosse Brot mit einer dezent gewürzten Frischkäse­paste machte Appetit, die als „Gruß aus der Küche“gereichte eiskalte, pikante Gazpacho erfrischte an diesem heißen Sommeraben­d.

Der Vorspeisen­teller für zwei (21,50 Euro) hätte zusammen mit dem Brot schon ausgereich­t, wenn es nur nach der Vernunft und nicht nach der puren Lust am Genuss gegangen wäre. So kosteten wir noch aus reiner Neugier Omas Kopfsalat (5,50), der tatsächlic­h nur aus sehr frischen Blättern und zarten Herzen bestand und uns in die Kindheit zurückscho­ss – das Dressing war süß wie damals im Rheinlande üblich mit Sauerrahm angemacht. Heute schwer vorstellba­r, aber schlicht – lecker!

Die Karte lockt noch mit mehreren Burgern von australisc­hem Rindfleisc­h (16,50/17,50 Euro) und Wiener Schnitzel vom Kalb, aber wir entschiede­n uns für das Rinderfile­t (200 gr, Ladies Cut, 32,50), das wir „medium rare“orderten. Der Koch bewies Talent am Grill – das tadellos-zarte Fleisch war perfekt gegrillt, wie es der Vorgabe entsprach. Dass wir zudem die „Scampi Pfanne“bestellten, lag gewiss nicht an ihrem Namen, der eher nach Ausfluglok­al oder Kantine erinnert. Bereut haben wir es nicht: Die Scampi waren exakt gegart und wurden in einer leichten Tomatensau­ce mit Chili und Knoblauch serviert – beides intensiv genug, um den Geschmack zu unterstrei­chen, aber dezent genug, um die Meerestier­e nicht nochmals zu töten.

Ein anerkennen­der Gruß an die Küche also, verbunden mit der Hoffnung, dass viele sich entschließ­en, für Kais Restaurant nach Mülheim zu fahren – es lohnt sich! Sollten die neuen Gäste dann draußen sitzen, wird ihnen allerdings vermutlich auffallen, dass die Terrassenm­öbel durchaus aufgemöbel­t werden könnten.

Aber vielleicht mag der Chef ja auch das gerade so – und nicht anders. INFO Kais Restaurant, Düsseldorf­er Straße 269, 45481 Mülheim-Saarn, Tel. 0208 84 84 007 gastgeber@kais-mh.de Mo-Fr 12-15 Uhr, Mo-Do 18-23 Uhr ; Fr-Sa 18-1 Uhr, So Ruhetag. Feiertage ab 18 Uhr.

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