ANALYSE Auf
einem Festzug marschierten Düsseldorfs Schützen erneut mit der kaiserlichen Reichskriegsflagge. Tradition oder Neonazi-Spuk? Die Debatte lädt dazu ein, über nationale Symbole nachzudenken.
eine traditionsallergische Gegenwart. Zwischen beiden steht die unvergleichliche Menschheitskatastrophe von Nazi-Zeit und Zweitem Weltkrieg. Das daraus erwachsende Unbehagen an Symbolen mit zunehmendem zeitlichen Abstand kleinzureden, wäre Teil einer Relativierung des Massenmordens.
Ob dazu auch die Kaiserliche Reichskriegsflagge gehört, entscheidet kein Lexikoneintrag, sondern die öffentliche Wahrnehmung. Wir sind der Gradmesser für die Grenzen unserer Symbolverträglichkeit. Dass die Debatte auch in Düsseldorf nicht zum ersten Mal geführt wird, zeigt indes, dass die MarineKompanie offenbar bewusst die konfliktträchtige Fahne wählte. Als Provokation? Aus falschem Selbstbewusstsein? Oder doch aus bedenklich rechter Gesinnung? Ob berechtigt oder nicht, setzen sich Schützen jetzt diesen Fragen aus und stellen damit unnötig ein Vereinswesen in ein unrühmliches Zwielicht. Es gibt andere alte Fahnen, die es verdienen, gezeigt zu werden – als ausgerechnet diese, die an kriegsverherrlichende Zeiten erinnert. Auch wenn die Reichskriegsflagge nicht als Symbol der Nazis gilt, so steht sie doch für einen Militarismus, den Deutschland seit 1945 abgelegt und aus den Köpfen der Menschen getilgt hat.
Keine Schützenhilfe jedenfalls gab es für die Düsseldorfer aus dem benachbarten Neuss: So hat Thomas Nickel – er ist Präsident des Neusser Bürger-Schützen-Vereins mit immerhin 7700 Uniformierten – mehr Fingerspitzengefühl in der Frage der Flagge gefordert. Die Reichskriegsflagge solle man nach den Worten des 68-Jährigen nicht hochhalten, da „sie Assoziationen an eine dunkle Zeit unserer Geschichte heraufbeschwören kann“. Dass eine solche Fahne am kommenden Sonntag beim Neusser Schützenfest auftauchen könnte, sei nicht zu befürchten.
Und künftig wohl auch in Düsseldorf nicht: Nach gestriger Aussage von Schützenchef Heinz-Dieter Werner soll die ominöse Reichskriegsflagge bei Umzügen künftig nicht mehr mitgeführt werden.