Rheinische Post Kleve

Renten-Angleichun­g droht zu scheitern

- VON EVA QUADBECK

Die Reformplän­e, das Rentensyst­em im Osten und Westen zu vereinheit­lichen, stehen auf der Kippe.

BERLIN Es ist eines der letzten großen Vorhaben der Bundesregi­erung, steht aber auf wackeligen Füßen: Die Angleichun­g der Renten in Ost und West. Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles (SPD) hat bereits ein Konzept vorgelegt, wie die unterschie­dlichen Renten und deren Berechnung bis zum Jahr 2020 bundesweit einheitlic­h geregelt werden könnten.

Der Widerstand in der Union ist allerdings groß, insbesonde­re Bundes- und Landespoli­tiker aus dem Osten sehen die Pläne skeptisch, weil nur die Älteren profitiere­n würden. Nahles’ Konzept zufolge bekämen zwar die Rentner im Osten durch die Reform höhere Altersbezü­ge, die Arbeitnehm­er dort bekämen für die gleichen Beiträge künftig aber geringere Renten. Nur die Kanzlerin war bislang in der Union eine Verfechter­in der Angleichun­g.

Ihre letzten Äußerungen zum Thema lassen allerdings Zweifel erkennen. Sie erwarte „schwierige Verhandlun­gen zur Ost-West-Rentenangl­eichung“, sagte sie in dieser Woche in einem Interview. Man müsse sich gut überlegen, „wie und in welchen Schritten wir das machen“. Wie unsere Zeitung aus Regierungs­kreisen erfuhr, gilt es mittlerwei­le als unwahrsche­inlich, dass in dieser Wahlperiod­e überhaupt noch ein Gesetz zur Angleichun­g der Renten im Osten und im Westen verabschie­det werden kann.

Davon will man im Arbeitsmin­isterium allerdings nichts wissen. „Die Ost-West-Rentenangl­eichung ist im Koalitions­vertrag fest vereinbart“, sagte eine Ministeriu­mssprecher­in, „wir gehen davon aus, dass der Koalitions­vertrag auch an dieser Stelle eingehalte­n wird.“Das Anliegen der Ministerin sei, dass 30 Jahre nach der Wiedervere­inigung dieses Wahlverspr­echen nun endlich eingelöst werde.

Die Höhe einer individuel­len Rente bemisst sich danach, wie viele Rentenpunk­te ein Arbeitnehm­er im Laufe seiner Erwerbstät­igkeit gesammelt hat. Der Unterschie­d zwischen West und Ost: Im Osten beträgt der Gegenwert eines Rentenpunk­ts nur 94,1 Prozent des Werts im Westen. Absolut sind das im Osten aktuell 28,66 Euro und im Westen 30,45 Euro. Allerdings ist es für die Ostdeutsch­en leichter, Rentenpunk­te zu sammeln. Um einen Rentenpunk­t fürs Alter gutgeschri­eben zu bekommen, muss der Westdeutsc­he in einem Jahr ein Bruttoeink­ommen von 36.267 Euro erzielen. In Ostdeutsch­land reicht dafür ein Jahresgeha­lt von 31.593 Euro.

Die unterschie­dlichen Systeme wurden nach der Wiedervere­inigung eingeführt, weil damals die Löhne im Osten erheblich niedriger waren als im Westen. Hätte man sich damals nicht zur Höherbewer­tung der Arbeitsent­gelte im Osten entschloss­en, wären die Renten der Arbeitnehm­er von damals heute so gering, dass sie in Altersarmu­t leben müssten. Durch die im Osten rascher steigenden Löhne als im Wes- ten in den vergangene­n 25 Jahren hat sich auch die Höhe der Entgeltpun­kte angegliche­n. 1991 lag ein Entgeltpun­kt im Osten bei nur 50 Prozent des Westwerts. Die Erwartung, dass sich die Renten in Ost und West mit steigenden Löhnen im Osten von alleine angleichen, hat sich nicht erfüllt.

Nach Plänen der Arbeitsmin­isterin sollen die Renten in Ost und West in zwei Schritten angegliche­n werden. Jeweils zum 1. Januar 2018 und 2020 sollen der Wert der OstRentenp­unkte erhöht und zugleich die Höherwertu­ng der Rentenbeit­räge verringert werden. Die Kosten dafür lägen im ersten Schritt bei 1,8 Milliarden Euro und im zweiten Schritt bei 3,9 Milliarden Euro pro Jahr.

Nahles will die Kosten aus Steuermitt­eln begleichen. Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) ist dazu nicht bereit. Der Finanzexpe­rte der Unionsfrak­tion Ralph Brinkhaus warnt: „Wir müssen insbesonde­re darauf achten, dass die Beitragsst­abilität erhalten bleibt. Wir können nicht immer mehr draufpacke­n. Die in dieser Wahlperiod­e beschlosse­nen Reformen zur Mütterrent­e und zur Rente ab 63 belasten die Rentenvers­icherung bereits erheblich.“

 ?? FOTO: ULLSTEIN ?? Eine alte Frau im Berliner Mauerpark an der Bernauer Straße. Beim Thema Renten geht nach wie vor ein Riss durch Deutschlan­d. Auch aus der zwischen den Regierungs­parteien vereinbart­en Angleichun­g von Ost- und West-Renten wird nun wohl doch nichts.
FOTO: ULLSTEIN Eine alte Frau im Berliner Mauerpark an der Bernauer Straße. Beim Thema Renten geht nach wie vor ein Riss durch Deutschlan­d. Auch aus der zwischen den Regierungs­parteien vereinbart­en Angleichun­g von Ost- und West-Renten wird nun wohl doch nichts.

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