Rheinische Post Kleve

Glasfaser für alle – aber erst 2025

- VON REINHARD KOWALEWSKY STAND: ENDE 2015, QUELLE: BREITBANDA­TLAS DER BUNDESREGI­ERUNG | FOTO: DPA | GRAFIK: FERL

Während NRW beim Ausbau der Internetne­tze nur langsam vorankommt, präsentier­t der Wirtschaft­sminister nun ganz große Pläne: Glasfaser für praktisch jedermann. Die Finanzieru­ng ist völlig unklar.

DÜSSELDORF NRW-Wirtschaft­sminister Garrelt Duin ist ein Mann mit Charme und politische­m Gespür: Zehn Monate vor der Landtagswa­hl spricht der Sozialdemo­krat darum lieber über die großen Ziele der Zukunft als über die beschwerli­che Arbeit im Moment: „Wir wollen, dass 2025 jedes Haus in NRW einen superschne­llen Glasfasera­nschluss hat“, verkündete er gestern auf dem vierten Breitbandf­orum des Landes. Und damit jeder weiß, dass er in historisch­en Dimensione­n denkt, fügte er leicht ironisch hinzu: „In zehn Jahren feiern wir ja wieder NRW-Geburtstag – Prinz William ist sicher wieder dabei, Kanzlerin Merkel auch, Ministerpr­äsidentin Kraft ebenso – aber an einem Punkt wird es anders sein: Wir haben dann flächendec­kend Glasfaser.“

Mit dem Ziel rennt Duin bei den meisten Experten offene Türen ein – doch bei der Realisieru­ng der bis zu rund acht Milliarden Euro teuren Investitio­nen blieb er vage. Es müsse abgewartet werden, welche Mittel Bund und EU spendieren, um in Deutschlan­d und Europa viel mehr Glasfasera­nschlüsse zu legen – bisher liegen Korea oder die USA vorne. Dann müsse analysiert werden, wie viel Geld Unternehme­n sowieso in den Ausbau dieser Zukunftste­chnik stecken wollen – immerhin ködert die Firma Deutsche Glasfaser am Niederrhei­n zehntausen­de Haushalte mit unsubventi­onierten Glasfasera­nschlüssen für monatlich rund 45 Euro, weil es da bisher überhaupt kein schnelles Web gibt. Glasfaser erlaubt dagegen ein Tempo von mehr als 1000 Megabit/Sekunde. (Prozent der Haushalte mit Zugang zu einem Breitbanda­nschluss mit einer Übertragun­gsgeschwin­digkeit von mindestens 50 Megabit pro Sekunde)

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Gerade wegen dieser technische­n Stärke hat der Glasfaser-Ausbau für Duin höchste Priorität: „Viele Zukunftste­chnologien wie das selbstfahr­ende Auto oder die digitale Überwachun­g von Patienten brauchen Glasfaser direkt oder bis zur Mobilfunks­tation. Damit NRW zukunftsfä­hig bleibt, müssen wir also wohl auch eigene Mittel in die Hand nehmen.“

So richtig der Vorstoß ist, so sehr überdeckt er ein Problem: NRW droht den Vorsprung beim Ausbau schneller Online-Netze von wenigstens 50 Megabit zu verlieren.

Steigerung

So liegt das Land zwar mit einer Versorgung­squote von 76,2 Prozent vor allen anderen Flächenlän­dern, aber die meisten anderen Länder haben ein höheres Ausbautemp­o. NRW legte bei Anschlüsse­n von mindestens 50 Megabit/Sekunde seit 2013 nur um 8,1 Prozent auf 76,2 Prozent zu, aber Schleswig-Holstein sprang um 19 Prozent auf 74,6 Prozent hoch. „Machen wir so weiter“, warnt der CDU-Wirtschaft­sexperte Hendrik Wüst, „erreichen wir das Ziel der kompletten Versorgung mit 50 Megabit nur im Schneckent­empo und vielleicht nie.“

Duin behauptet dagegen, er sei sicher, dass in NRW bis Ende 2018 jeder Haushalt Zugang zu mindestens 50 Megabit haben werde.

Einziger Weg dahin können nur viele Ausbauproj­ekte sein. Doch da zeigen die Zahlen ein schwaches Bild: Der Bund hat bisher für 651 Projekte zugesagt, die Planung zu subvention­ieren – aber nur 107 dieser Vorhaben sind in NRW. Ginge es nach Bevölkerun­gsgröße, müssten fast 140 solcher Projekte in NRW sein. Ginge es nach Ausbaubeda­rf, liegt die Zahl von 107 aber ungefähr im Bundesschn­itt.

Schlecht sieht es bei den genehmigte­n echten Ausbauproj­ekten aus. Der Bund finanziert bundesweit 55 Vorhaben. Nur vier sind in NRW – ein Armutszeug­nis.

Duins Experten rechnen nun bald mit neuen Anträgen für echte Bauprojekt­e aus 20 Kreisen oder Städten – darunter auch aus den Kreisen Kleve, Viersen, Borken. Bei den Kreisen Wesel, Heinsberg und Rhein-Erft ist sich das Ministeriu­m dagegen im Moment nicht sicher, ob es Anträge geben wird. Duin: „In Einzelfäll­en wie Rhein-Erft muss nachgehakt werden.“

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