Rheinische Post Kleve

Die Fantastisc­hen Drei

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Die HipHop-Band Beginner kehrt nach 13 Jahren mit einem neuen Album zurück. Eine Begegnung mit Eizi Eiz, Denyo und DJ Mad.

KÖLN Zum Schluss fragt Eizi Eiz, wo denn der nächste Bioladen sei, er wolle sich nämlich etwas zu essen kaufen. Im Bahnhof, antwortet man, und weil man höflich ist und der Rapper gerade so sympathisc­h und ausufernd von seinem Helden Kendrick Lamar schwärmt, begleitet man ihn. So geht man ein paar Schritte durch Köln, und neben sich hat man diesen euphorisie­rten und in seinen Nike-Turnschuhe­n total elastisch und easy ausschreit­enden Kerl, der Lamars Lied „The Blacker The Berry“mit markanter Stimme nachsingt. Man schmunzelt und nickt: klar, toller Song. Besser kann ein Interview gar nicht enden.

Eizi Eiz kennen die meisten unter seinem anderen Künstlerna­men Jan Delay, so nennt er sich, wenn er solo auftritt, aber nun ist er heimgekehr­t zur Familie. Absolute Beginner hieß die Band, mit der er in den 90er Jahren berühmt wurde. Sie bewies, dass Rap mit deutschen Texten funktionie­rt. Bei ihnen klang das so lustig und lässig wie hier: „Du hast so viel Stil wie ein Cornetto-Eis / Und so viel Plan von coolen Beats wie Abels Bruder heißt“. Sie kamen aus Hamburg, sie waren Freunde, und sie waren zu dritt. 2003 tauften sie sich um in Beginner. Sie waren lange fort, aber morgen erscheint ihr erstes Album nach 13 Jahren: „Advanced Chemistry“ist ein großes nostalgisc­hes Vergnügen.

Eizi Eiz (bürgerlich Jan Eißfeldt), Denyo (Dennis Lisk) und DJ Mad (Guido Weiß) empfangen in einer Suite des Savoy Hotels hinter dem Kölner Hauptbahnh­of. Das erste, was man beim Betreten des Raums denkt, ist dieses: super WG! Sie scherzen über die dunklen Gänge des Hotels, das Wort „Gruft“fällt, es ist viel Gewusel, und während Denyo erst gehend, dann stehend und schließlic­h nach vorn gebeugt sitzend in Jogginghos­e über Rap doziert und Eizi Eiz mit einiger Lust am Knackgeräu­sch Rohkost isst, thront DJ Mad versonnen im Sessel und sieht sich selbst beim Atmen zu.

Erstes Thema: das Lied „Ahnma“. Man merkt an, dass man den Gegensatz vom ghettogest­ählten Krass-Deutsch des Rappers Gzuz, der die Bridge singt, zum karibische­n Schmeichel-Gesang Gentlemans im Refrain toll findet. „Genau darum geht’s!“, stimmt Eizi Eiz zu. „Wir sind Fans von Gzuz und Haftbefehl und von vielen Rappern, von denen man nicht denken würde, dass wir sie gut finden. Und nur weil wir Fans sind und weil uns die neuen Künstler so elektrisie­ren, konnten wir überhaupt wieder eine Platte machen.“Sie hätten bei den Beginnern das Feuer neu entfacht, und aus Dankbarkei­t habe man jüngere Kollegen ebenso wie die alten Weggefährt­en Samy Deluxe und Dendemann ins Studio gebeten. So ist das Album auch eine Kumpel-Platte.

Überhaupt sind die Beginner Fans geblieben. In dem Lied „Es war einmal“singen sie über 80er-JahreHelde­n wie N.W.A und Public Enemy. Was hat sich seitdem verändert, vor allem in Deutschlan­d? „HipHop hat sich zum Positiven entwickelt“, bilanziert Denyo mit professora­ler Attitüde. „Es gibt mehr Vielfalt. Es gibt zig verschiede­ne Subgenres und Herangehen­sweisen, die alle für sich genommen toll und wertig sind. Und es gibt auch im Straßenrap sehr viel krass gute Rapper.“Er empfiehlt KC Rebell und Nimo, außerdem Rattos Locos und 187 Straßenban­de. „Von Haftbefehl ganz zu schweigen. Oder Megaloh. Der ist technisch viel besser als wir damals.“Denyos These: „Als Marteria 2010 sein Album ,Zum Glück in die Zukunft’ veröffentl­ichte, wurde Pop-Deutschlan­d auf ein anderes Niveau gehoben. Ohne den Typen gäbe es die neue Generation von Denkweisen und Wortwitz nicht.“

Vom Wortwitz lebt auch das neue Album. Man nehme den Songtitel „Rambo No. 5“. Oder die Verse „Immer in Bewegung bleiben, so wie Dönerfleis­ch“und „Das Geniestrei­ch-Orchester ist bereit“. Oder das Stück „Kater“: „Gestern war ich blau, und heute seh’ ich schwarz.“Sie überlegen sich ein Thema, erklärt Denyo, „und dann schreibt jeder für sich seine Strophen“. Danach lege man die Texte zusammen und suche nach Möglichkei­ten, sie zu verbinden. „Abholmomen­te schaffen“, nennt er das.

Wie es nach so langer Zeit zur neuerliche­n Zusammenar­beit gekommen ist, möchte man wissen. „Es ist ja nicht so, dass wir in den letzten 13 Jahren nichts gemeinsam gemacht hätten“, entgegnet DJ Mad. „Denyo und ich sind fast jedes Wochenende zusammen und legen in Clubs auf. Und inzwischen wissen wir ja auch: Du kannst es nicht erzwingen. Du musst auch mal eine Zeit lang leben, um auf Ideen zu kommen. Außerdem haben wir unsere Musikexper­tise verfeinert. Alles, was wir seit der letzten Platte getan und erfahren haben, fand Eingang in das neue Album.“

Sie reden über amerikanis­che Vorbilder, über das große letzte Album von Dr. Dre, über Chance The Rapper und den Allerbeste­n: Kendrick Lamar. Dessen „The Blacker The Berry“sei die Inspiratio­n für „Ahnma“gewesen, erzählt Eizi Eiz. „In dem Lied kommt irgendwann so ein Dancehall-Künstler mit tiefer Stimme und fängt krass an zu singen: I said they treat me like a slave, cah’ me black. Und dann kehrt der Beat zurück und lässt die Energie wieder los, und da denkst du: Genau sowas brauchen wir auch. Wir haben überlegt, wer das bei ,Ahnma’ machen könnte, und in Deutschlan­d kann das am besten Gzuz.“

Während er spricht, überlegen die anderen, was sie zu Mittag essen wollen. Sie kommen nicht auf einen Nenner, Döner und Bioladen, also beschließe­n sie, sich zu trennen. Kurz bevor man aufbricht, sagt Denyo zum Abschied: „Wir hätten einfach ohne Album eine Abschiedst­our machen können, die wäre auch so ausverkauf­t gewesen. Aber das wollten wir nicht. Wir wollten was Neues. Wir brauchen die Beginner nicht. Wir wollen sie.“

Die Beginner sind Fans geblieben. Sie

schwärmen von ihren Helden Dr. Dre und

Kendrick Lamar

 ?? FOTO: PAUL RIPKE ?? „Du hast so viel Stil wie ein CornettoEi­s“sangen sie 1998. Nun feiern die Beginner ihr Comeback (v.l.): DJ Mad, Denyo und Eizi Eiz.
FOTO: PAUL RIPKE „Du hast so viel Stil wie ein CornettoEi­s“sangen sie 1998. Nun feiern die Beginner ihr Comeback (v.l.): DJ Mad, Denyo und Eizi Eiz.

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