Rheinische Post Kleve

„Lächeln allein reicht nicht“

- VON ROBERT PETERS

Steffi Jones tritt ihr Amt als Fußball-Bundestrai­nerin an. Es ist ein großes Erbe.

FRANKFURT/MAIN Gestern hat die neue Fußball-Bundestrai­nerin Steffi Jones ihr Konzept vorgestell­t. Die Fotografen platzierte­n sie anschließe­nd vor ein Plakat, auf dem ein Teil des Programms zu lesen war: „Wir wollen gemeinsam zum Erfolg.“Und damit das nun auch jeder versteht, gesellten sich ihre Assistente­n Markus Höger und Verena Hagedorn gleich mal dazu. Natürlich haben alle gelächelt, Steffi Jones ganz besonders. Sie machte das typische Steffi-Jones-Gesicht. Die Neue ist eben ein freundlich­es Wesen. Aber sie hat schon häufiger gesagt: „Lächeln allein reicht nicht.“

Das gilt für ihre neue Aufgabe, in der sie das große Erbe von Silvia Neid verwalten muss, die nach einem WM-Titel, zwei Europameis­terschafte­n und der Goldmedail­le von Rio reich dekoriert abtritt. Das galt für ihren Job als DFB-Direktorin Frauenfußb­all, den sie für den Trainerber­uf aufgab. Und das galt für ihr ganzes Leben. Denn leicht hat sie es nicht gehabt, die neue Bundestrai­nerin.

Sie wächst im Frankfurte­r Problemvie­rtel Bonames als Tochter einer Deutschen und eines afroame- rikanische­n Soldaten auf. Der Vater lässt die Familie sitzen und geht zurück in die Staaten. Da ist Steffi Jones gerade vier Jahre alt. Mutter Liselotte arbeitet im Büro. Weil das Geld nicht reicht, jobbt sie zusätzlich abends in einer Kneipe. Ihre drei Kinder sind oft sich selbst überlassen. Und Steffi Jones erfährt früh, dass sie zumindest anders aussieht als die anderen Kinder. „Negerlein“, rufen sie ihr hinterher. Sie fragt ihre Mutter: „Wenn ich mich ganz arg wasche, werde ich dann so schön weiß wie du?“

Der Alltag ist hart in diesem Viertel, auch für die Kinder. Steffis Bruder Christian gerät auf die schiefe Bahn, er nimmt Drogen und stiehlt. Steffis Ausweg ist der Fußball. Er verhindert vielleicht ein Abrutschen in die Karriere einer Kleinkrimi­nellen. Sie glaubt das jedenfalls. „Fußball war meine Rettung“, sagt sie, „dort habe ich gelernt, was Respekt und Verantwort­ung bedeuten.“

Sie lernt nicht nur soziale Werte. Sie beweist auch überdurchs­chnittlich­es Talent. Anders als Jungs in ihrem Alter, die in den großen Klubs die Vorzüge einer profession­ellen Rundumbetr­euung erfahren und schnell ans große Geld kommen, muss sie für ihren Lebensunte­rhalt arbeiten. Sie steht bei einem Discounter an der Kasse.

Beinahe nebenbei wird sie eine große Spielerin. Sie feiert deutsche Meistersch­aften in Serie, wird mit dem DFB-Team Welt- und Europameis­ter. Bei Olympische­n Spielen gewinnt sie zweimal die Bronzemeda­ille. 111-mal spielt sie für Deutschlan­d. Und weil sie ein ge- winnendes Wesen hat, setzt der DFB die ehemalige Abwehrspie­lerin als Führungsfi­gur der Weltmeiste­rschaft 2011 im eigenen Land ein. Steffi Jones erfüllt die sperrige Arbeitsbes­chreibung „Präsidenti­n des Organisati­onskomitee­s der Weltmeiste­rschaft“mit Leben, Herzlichke­it und ordentlich Arbeitstem­po. Während der WM scheint sie wie ihr Vorgänger im Amt bei der MännerWM, Franz Beckenbaue­r, an vielen Stellen gleichzeit­ig zu sein. Anders als Beckenbaue­r hat sie dafür keinen Hubschraub­er. Aber sie erledigt diesen Job unter großem Beifall. Die WM wird ein wirtschaft­licher Erfolg, die Deutschen scheiden allerdings im Viertelfin­ale aus.

Sie bleiben dennoch eine der führenden Nationen im Frauenfußb­all. Maßgeblich­en Anteil hat Neid, die nun mit der Goldmedail­le abtritt. Dass Jones sie beerbt, findet nicht jeder gut. Selbst im Verband tuscheln sie gern über mangelnde Erfahrung der neuen Bundestrai­nerin. Sie geht mit dem Hintergrun­d einer langen Karriere und einem Jahr als Neids Assistenti­n an die Arbeit. „Wir werden den Fußball nicht neu erfinden“, sagt sie bei der offizielle­n Vorstellun­g. Das hätte von Horst Hrubesch sein können.

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FOTO: DPA Die neue Bundestrai­nerin Steffi Jones vor dem DFB-Logo

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