Rheinische Post Kleve

Immer mehr Bundesländ­er wollen zurück zu G9

- VON MARKUS PLÜM

Drei Viertel der Abiturient­en in diesem Jahr gingen insgesamt nur zwölf Jahre zur Schule. Ein Trendwechs­el zurück zu G9 deutet sich an.

BERLIN Drei Viertel der Abiturient­en bundesweit haben in diesem Jahr ihr Abitur nach zwölf Schuljahre­n abgelegt. Das ergab eine Umfrage unserer Redaktion bei allen Bundesländ­ern. 14 von 16 Ländern lieferten vergleichb­are Daten. Damit hat sich das Abitur nach zwölf Jahren (G8) bundesweit faktisch durchgeset­zt. Doch es gibt Ausnahmen: Rheinland-Pfalz hat sein Schulsyste­m nie umgestellt. Niedersach­sen kehrt zum beginnende­n Schuljahr zum alten System zurück, in Hessen gewinnt G9 wieder an Beliebthei­t.

Die absoluten Zahlen aus den 14 Ländern: 2016 erlangten deutschlan­dweit rund 315.000 Abiturient­en ihre allgemeine Hochschulr­eife bereits nach zwölf Schuljahre­n, nur etwa 117.000 Abiturient­en erhielten die Hochschulr­eife nach 13 Schuljahre­n.

Eine Debatte um die Schulzeit für Abiturient­en gibt es seit der Wiedervere­inigung. Thüringen und Sachsen blieben nach der Wende beim zwölfjähri­gen Abitur. Die übrigen Bundesländ­er führten es im vergangene­n Jahrzehnt ein. Die Reform ist bis heute hoch umstritten. Aktuell können Eltern und Schüler in den meisten Bundesländ­ern zwischen Abitur nach acht oder neun Schuljahre­n auf der weiterführ­enden Schule wählen. In der Regel besuchen G8-Schüler ein Gymnasium, während G9 an Gesamtschu­len angeboten wird. Da sich die meisten Eltern für ein Gymnasium entscheide­n, hat sich das G8-System durchsetze­n können. „Es ist bei Eltern und Schülern einfach teilweise eine Gewöhnung an G8 eingetrete­n“, meint Ilka Hoffmann vom Hauptvorst­and der Bildungsge­werkschaft GEW.

Ein Trendwechs­el deutet sich allerdings an. 2015 starteten in Hes- sen mehr Fünftkläss­ler an einer G9Schule als an G8-Schulen, wo bereits nach acht Jahren das Abitur abgelegt wird. Niedersach­sen beschloss im vergangene­n Jahr sogar die komplette Rückkehr zum G9System, was in diesem Schuljahr umgesetzt wird. Nach Klagen der Lehrer, Eltern und Schüler, wonach durch G8 der Stress zu- und die Qualität der Lehre abgenommen habe, sei die Rückkehr zu G9 die logische Konsequenz gewesen, heißt es aus dem niedersäch­sischen Schulminis­terium.

Auch die Zugangszah­len zu Gymnasien und Gesamtschu­len belegen diese Trendwende. Von den Anfängern an weiterführ­enden Schulen starten nur noch 64 Prozent in einer Schulform, die das zwölfjähri­ge Abitur vorsieht. Damit wird im Vergleich zu heute künftig ein kleinerer Anteil an Schülern das verkürzte Abitur machen. In absoluten Zahlen: Aus 14 Bundesländ­ern wechselten 206.000 Schüler zu einer G8Schule. 112.000 Kinder gingen ins G9-System.

Diskussion­en dieser Art könnten durch die Entscheidu­ng in Niedersach­sen nun auch in NRW wieder aufflammen, vermutet Peter Silbernage­l, Vorsitzend­er des Philologen- verbands NRW. „70 bis 80 Prozent der Eltern möchten eigentlich eine Rückkehr zu G9. Sie erkennen keinen Sinn im zwölfjähri­gen Abitur. Da kann ich den Eltern noch nicht einmal widersprec­hen, denn es gibt kein pädagogisc­hes Argument dafür.“Warum es in NRW dann dennoch so wenige G9-Abiturient­en gibt? „Es herrscht die Angst einer Mittelschi­cht, dass ihre Kinder später einmal weniger Aufstiegsm­öglichkeit­en haben, wenn sie nicht an einem Gymnasium Abi machen.“Nach G9 wird in NRW bis auf wenige Ausnahmen nur an Gesamtschu­len gelernt.

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FOTO: IMAGETRUST Thomas Oppermann (62) vor dem Reichstags­gebäude.

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