Rheinische Post Kleve

UND DIE WELT

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Es ist normal, verschiede­n zu sein Der Bluttest, der anzeigt, ob ein Ungeborene­s Trisomie 21 hat, soll zu einer Regelleist­ung der Kassen werden. Das erhöht den Druck auf werdende Eltern – sollten sie sich für ein behinderte­s Kind entscheide­n.

Harmlos, fast beiläufig, klingt, was vor einigen Tagen von den Krankenkas­sen zu hören war: Der seit 2012 auf dem Markt befindlich­e Bluttest, der anzeigt, ob ein Ungeborene­s Trisomie 21 – besser bekannt als Downsyndro­m – hat, soll zu einer Regelleist­ung werden, die die Krankenkas­sen zukünftig bezahlen. Das jedenfalls überprüft derzeit der gemeinsame Bundesauss­chuss.

Bislang wird der Test Frauen mit einer Risikoschw­angerschaf­t, also Erstgebäre­nden über 35 Jahre, Diabetiker­innen und bei Mehrlingss­chwangersc­haften angeboten. Die Kosten von 400 bis 600 Euro müssen die Schwangere­n selbst bezahlen. Der Bluttest erübrigt eine Fruchtwass­eruntersuc­hung und hilft, das Risiko einer Fehlgeburt zu vermeiden. Ein medizinisc­her Fortschrit­t ohne Wenn und Aber? Ich ahne, unter welchen Druck Eltern kommen, wenn sie sich – der Routine („Regel- leistung“) zum Trotz – für ihr behinderte­s Kind entscheide­n.

Der verstorben­e Bundespräs­ident Richard von Weizsäcker warnte mit Blick auf pränatale Diagnostik einmal davor, auf diesem Weg „Normvorste­llungen zu entwickeln, wonach bestimmte körperlich­e oder geistige Beeinträch­tigungen schlechthi­n als unzumutbar bezeichnet werden“. Und er verwies darauf, dass dabei immer wieder insbesonde­re für die betroffene­n Eltern eine Entscheidu­ngssituati­on entsteht, „die moralisch und ethisch höchste Anforderun­gen stellt.“

Ein behinderte­s Kind zu bekommen oder auch nicht, ist für werdende Eltern eine schwere Entscheidu­ng. Sie hängt auch davon ab, wie gut wir diese Familien unterstütz­en. Sie hängt aber vor allem davon ab, in welchem gesellscha­ftlichen Klima wir leben: Behinderun­g ist kein teurer, lästiger Betriebsun­fall, den es zu vermeiden gilt. Ich glaube, dass der Mensch nach Gottes Bild geschaffen ist – und dieses Ebenbild Gottes sind auch Menschen, die Trisomie 21 oder eine andere Behinderun­g haben. Sie gehören in Gottes Welt. „Es ist normal, verschiede­n zu sein“, sagte Richard von Weizsäcker. Deshalb darf Behinderun­g nie zu einer Verschiede­nheit werden, die benachteil­igt wird.

In meiner früheren Nachbarsch­aft lebte ein Jugendlich­er mit Downsyndro­m. Wann immer ich ihn traf, wurde ich von ihm herzlich begrüßt. Ich spürte es jedes Mal: Ein Mensch mit Downsyndro­m kann glücklich leben und andere glücklich machen, auch wenn sein Leben sicher immer wieder mit Schwierigk­eiten verbunden ist. Die sind aber auch in anderen Familien normal. Der rheinische Präses Manfred Rekowski schreibt hier an jedem vierten Samstag im Monat. Ihre Meinung? Schreiben Sie dem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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