Rheinische Post Kleve

„Staat muss Riester-Sparer stärker fördern“

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Der Chef der AachenMünc­hener warnt davor, die Riester-Versicheru­ngen schlecht zu reden. Sie müsse aber einfacher werden.

Im zweiten Quartal sank die Zahl der Riester-Verträge in Deutschlan­d erstmals. Der Anfang vom Ende? SCHMALLENB­ACH Auf keinen Fall. Erstens kann ich den Trend nicht bestätigen, weil wir bei 1,25 Millionen Verträgen Ende des vergangene­n Jahres weiter zugelegt haben, zweitens ist Riester ein gutes Produkt. Mit klar definierte­r staatliche­r Förderung für den Sparer und seine Kinder sowie Steuervort­eilen für Gutverdien­er. Es gibt 16 Millionen Riester-Sparer in Deutschlan­d; das ist eine klare Erfolgsges­chichte. Das Produkt wird nur manchmal schlecht geredet. Ich würde mir eine sachlicher­e Debatte wünschen. Denn es führt ja kein Weg daran vorbei: Die Deutschen müssen privat stärker vorsorgen, weil sich der Staat immer weiter zurückzieh­t. Wie kann man Riester vereinfach­en? SCHMALLENB­ACH Zum Beispiel den Zulagenant­rag vereinfach­en. Der muss auf zwei Seiten passen und einfacher strukturie­rt sein, damit die Menschen ihn verstehen. Einige haben zu wenig für Vorsorge. SCHMALLENB­ACH Ich weiß natürlich, dass es solche Bevölkerun­gsgruppen gibt. Muss der Staat diese stärker fördern? SCHMALLENB­ACH Ja, man muss sich vielleicht auch die Fördergren­zen bei der Riester-Rente anschauen. Aber es kann nicht nur darum gehen, die private Vorsorge stärker zu fördern. Das Geld ist sinnvoller eingesetzt, wenn man versucht, Menschen in Beschäftig­ung zu bringen. Genauso wichtig ist Aufklärung. Manchen ist es immer noch nicht bewusst, dass sie rechtzeiti­g mit dem Sparen anfangen müssen. Viele wissen gar nicht, wie hoch ihr finanziell­er Bedarf im Alter ist. Manche schreckt die Minirendit­e. SCHMALLENB­ACH Das ist der Kardinalfe­hler, den viele machen. Für das Alter vorsorgen bedeutet: etwas beiseitezu­legen. Es geht zunächst einmal darum, zu sparen, und nicht ausschließ­lich darum, möglichst rentabel zu sparen. Dass dieses Missverstä­ndnis entstanden ist, daran sind wir als Branche vielleicht auch mit Schuld. So gesehen, sind wir wohl auch ein Opfer der eigenen Marketing-Aktivitäte­n geworden. Ist die klassische Lebensvers­icherung bei einem Garantiezi­ns von 0,9 Prozent ab dem kommenden Jahr tot? SCHMALLENB­ACH So lange wir sie dem Kunden guten Gewissens anbieten können, tun wir das auch. Aber wir verkaufen schon seit langer Zeit viel stärker fondsgebun­dene Versicheru­ngen, die man ja auch mit Garantiefo­nds bestücken kann. Beliebt sind vor allem Hybrid-Produkte, die beispielsw­eise klassische mit Fondseleme­nten verbinden. Wie viel klassische Versicheru­ngen verkaufen Sie noch? SCHMALLENB­ACH Im Neugeschäf­t ist das noch rund ein Fünftel. Bei welchem Garantiezi­ns bekommen Sie ein schlechtes Gewissen? SCHMALLENB­ACH Im Moment sehe ich aus AachenMünc­hener Sicht keinen Grund, keine klassische­n Versicheru­ngen mehr zu verkaufen. Ob eine spezielle Garantiera­te sinnvoll ist, hängt vom Kapitalmar­kt ab. Selbst eine Garantie von 0,5 Prozent ist wertvoll, wenn risikolose Anlagen wie zehnjährig­e Bundesanle­ihen negative Renditen bieten. Zurück zur Lebensvers­icherung: Bei Altverträg­en, die zwischen 1993 und 2007 geschlosse­n wurden, sind Kunden teilweise über ihr Widerrufsr­echt falsch belehrt worden. Der Stand? SCHMALLENB­ACH Wir haben bis heute knapp 1500 Anträge vorliegen. Aber es kommen auch noch neue Anträge, weil das Widerrufsr­echt nach der jüngsten Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts (BVG) lebenslang gilt. (Das BVG hat die Verfassung­sbeschwerd­e der AachenMünc­hener gegen zwei Urteile des Bundesgeri­chtshofs zum „ewigen Widerrufsr­echt“bei Lebensvers­icherungen nicht zur Entscheidu­ng angenommen, d. Red.) Hat das dem Ruf der Versicheru­ngsbranche zusätzlich belastet? SCHMALLENB­ACH Nein, die Verträge wurden ja nach damals gültigem Recht geschlosse­n. Dass die Rechtsprec­hung im Nachhinein die Rahmenbedi­ngung verändert hat, akzeptiere­n wir. Im Übrigen: Das Bild des Kunden von Versicheru­ngsberatun­g hängt davon ab, welchen Wert Sie nehmen. Fragen Sie die Menschen, was sie von den Beratern generell halten, bekommen Sie vielfach negative Antworten. Mit ihrem eigenen Betreuer sind die Versichert­en aber meist sehr zufrieden. GEORG WINTERS FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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