Die Zuckerkönige vom Rhein
Seit 1870 sind die Macher des Diamant Zuckers auf das süße Lebensmittel spezialisiert. Nun forschen sie an kalorienarmen Alternativen.
KÖLN Das Logo mit den beiden Zuckerhüten, die an den Kölner Dom erinnern, ist wohl in fast jedem Vorratsschrank in Deutschland zu finden. Zucker – egal in welcher Form – gehört noch immer zur Grundausstattung eines Haushaltes. Doch in Zeiten, in denen immer mehr Menschen auch auf gesunde Ernährung achten, sind die Ansprüche selbst an solch simple Lebensmittel größer geworden. Das hat das Unternehmen, das hinter den zwei Zuckerhüten steht, erkannt: Pfeifer & Langen aus Köln investiert bereits seit Jahren in Forschung und Entwicklung von kalorienarmen, „gesünderen“Alternativen. Ein erstes Produkt könnte bald in Serie gehen.
„Auch in einer Traditionsbranche wie beim Zucker geht es um Innovationen: Das ist ein wichtiger Treiber unseres Geschäfts. Es geht darum, unser bestehendes Zuckergeschäft weiterzuentwickeln und unsere Marktposition in Deutschland zu sichern, in Richtung Europa auszubauen und neue Märkte zu erobern“, sagt Uwe Schöneberg, einer von drei Geschäftsführern von Pfeifer & Langen. Im eigens für die Forschung gegründeten „Innovation Center“neben der Zuckerfabrik des Unternehmens in Elsdorf forschen deshalb Experten zusammen mit Hochschulen am Zucker 4.0. Erster Erfolg: die Gewinnung von laktosefreier Cellobiose, einem Zucker, der aus Zellulose, also dem Bestandteil von Pflanzen gewonnen wird.
„Zucker ist ja nicht nur süß. Er hat auch zahlreiche andere Eigenschaften, sorgt zum Beispiel dafür, dass die Salami in der Reifung ihr gutes Aroma und ihre schöne Farbe bekommt“, sagt Timo Koch, Chef des Innovation Centers. In vielen Produkten, in denen man es gar nicht erwarten würde, sei er ein Bestandteil. „Wenn wir den gewöhnlichen Milchzucker durch unsere Cellobiose ersetzen, können diese Produkte auch problemlos für Allergiker hergestellt werden“, sagt er. Die Cellobiose, die nach ihrer Zulassung in ein bis zwei Jahren im großen Stil produziert werden könnte, hat weniger Kalorien als gewöhnlicher Zucker.
Allerdings: Die alte Feststellung „Zucker ist ungesund“mag man bei Pfeifer & Langen nicht gern stehenlassen. „Es geht doch um die Kalorien und nicht um den Zucker. Die simple Wahrheit ist: Alle, die weniger Kalorien zu sich nehmen, als sie verbrauchen, bleiben oder werden schlank. Dabei ist egal, wo die Kalorien herkommen, ob aus Zucker, Fett oder Obst. Die Deutschen essen seit zehn Jahren die gleiche Menge Zucker“, so Schöneberg. Er kann viele Statistiken zitieren. Die Zuckerdebatte werde viel zu unsachlich diskutiert, meint er.
Dass ihr Unternehmen eines Tages an kalorienarmem Zucker aus Zellulose forschen würde, hätten wohl auch die Gründer Emil Pfeifer, Eugen Langen und Valentin Pfeifer, vor fast 150 Jahren nicht geglaubt. In Elsdorf eröffnen sie ihre erste Zuckerfabrik, in der der Ingenieur Eugen Langen 1872 den Würfelzucker erfindet. Es bleibt nicht die letzte Erfindung und nicht die letzte Fabrik: Immer mehr Standorte öffnen, Pfeifer & Langen kaufen dabei auch immer wieder kleinere Zuckerhersteller auf. Das Geschäft mit dem süßen Lebensmittel ist ertragreich, vor allem dank der Weiterentwicklungen des Zuckers. Im Jahr 1965 etwa erfinden die Experten den Gelierzucker zur Fertigung von Marmelade. Dabei bleibt das Unternehmen, das auch Fabriken in Polen und der Ukraine betreibt, immer in Familienhand – bis heute.
Rund 700.000 Tonnen Zucker für den Lebensmittelmarkt werden jedes Jahr allein in Deutschland produziert, 85 Prozent davon gehen in die Weiterverarbeitung, 15 Prozent werden für die hauseigenen Produkte wie den berühmten Kristallzucker, Gelierzucker oder Kandis genutzt. Der Zucker von Pfeifer & Langen wird allerdings nicht nur für Lebensmittel gebraucht: Auch die Chemie- und Energieindustrie benötigen Zucker, er kann zum Beispiel bei der Stromgewinnung helfen. Die Teile der Zuckerrüben, die nicht für den Zucker genutzt werden, werden zudem zu Tierfutter verarbeitet. „Die Rübe wird zu 100 Prozent verwertet, bis in die letzte Faser – das ist eine wirklich nachhaltige Ausschöpfung der Ressourcen“, sagt Schöneberg.
Mit all diesen Geschäftsfeldern verzeichnete die 2500 Mitarbeiter starke Firma 2015 einen Umsatz von etwa einer Milliarde Euro.
Im nächsten Jahr kommen neue Herausforderungen auf Pfeifer & Langen und die anderen Zuckerfabrikanten zu: Denn dann läuft die bislang von der EU vorgeschriebene Zuckermarktordnung aus. Sie hat bislang ähnlich wie früher die Milchquote geregelt, wie viel Zucker die EU-Produzenten herstellen und vertreiben können. Läuft diese aus, können die Hersteller so viel produzieren, wie sie wollen – und ein Preiskampf könnte beginnen. Man täte also gut daran, Alleinstellungsmerkmale in der Produktion herauszuarbeiten, meint Uwe Schöneberg und ist überzeugt: Mit Forschungszentrum und Innovationsgeist sind auch diese Hürden überwindbar.