Rheinische Post Kleve

Vielleicht mag ich dich morgen

- AUS DEM ENGLISCHEN VON KARIN DUFNER

Es wäre ein Anfang, wenn du ihn überhaupt zur Kenntnis nimmst.“„Ist dir überhaupt klar, wie bekloppt du dich anhörst? Du benimmst dich, als wäre irgendjema­nd anderes dafür verantwort­lich. Bis jetzt bist du doch auch mit mir klargekomm­en.“

„Du bist verantwort­lich! Und ich benehme mich so, weil du die Stirn hast, über dein Verhalten von damals auch noch zu lachen.“

„Was? Bin ich plötzlich der böse Feind? Ich war also der schlimmste Miesling der ganzen Schule?“„Warst du.“„Ha. Schon gut.“„Es stimmt. Du hast die übelste Sache überhaupt abgezogen. Du hast gewusst, dass ich dich mochte, und hast es gegen mich verwendet. Außer dir hätte mich keiner auf diese Bühne gekriegt.“

„Jetzt werd nicht gleich hysterisch. Es war ein alberner Streich.“

„Dass du es einfach so abtun kannst, zeigt, was für ein Mensch du noch immer bist.“

„Ach, scheiß drauf. Du kannst mir doch nicht die Schuld dran geben, dass du damals wie eine Missgeburt ausgesehen hast.“

„Missgeburt? Du Arschloch!“, schrie Anna, bebend vor Wut.

„Du mieses, dreckiges Superturbo­arschloch.“

James wirkte ein wenig verängstig­t. Doch im nächsten Moment wurde seine Miene von Widerwille­n gezeichnet. Das war genau der Gesichtsau­sdruck, mit dem sie bei ihm gerechnet hatte, wenn sie ihre wahre Identität preisgab.

„Ich haue ab. Du hast ja einen Vollschatt­en“, sagte James und griff nach seinem Mantel. „Tschüss.“

Die Wohnungstü­r wurde zugeknallt. Anna schleudert­e das Foto, die Bildseite nach unten, quer durchs Zimmer. Es prallte von der Wand ab und landete prompt mit dem Bild nach oben. Mit lautem Wutgeheul stürzte Anna sich auf das Foto und warf es noch einmal. Es traf ein Bücherrega­l. Das Glas splitterte, so dass sich unzählige winzige diamantför­mige Glitzersch­erben auf den Teppich ergossen. Offenbar hatte James ihren zerrüttete­n Geisteszus­tand nicht ganz falsch eingeschät­zt. Dieser Mistkerl. Wie hatte sie sich auch nur einen einzigen Moment lang vormachen können, dass er sich seit damals gebessert haben könnte? Warum hatte sie ihn überhaupt in ihre Wohnung gelassen?

Schluchzen­d sank Anna aufs Sofa. Abgehackte, verrotzte Schluchzer, die tief aus dem Bauch aufzusteig­en schienen und sich anfühlten, als entleere sich ihre gesamte Seele durch Augen und Nase.

Es war eine lange Verfolgung­sjagd gewesen, wie bei Hase und Igel. Doch Aureliana hatte Anna zu guter Letzt eingeholt. Und nun waren sie wieder eins, verbunden in Hoff- nungslosig­keit, Elend.

Aus der Stereoanla­ge dudelte jetzt „You Make Loving Fun“.

Laut GQ ist die Postiche ein absolutes Muss hier“, verkündete Laurence beim Blick auf die Speisekart­e, während die beiden sich in einer gekachelte­n Nische der Kellerbar im Spitalfiel­ds Hawksmoore an Old Fashioneds mit Tabakaroma gütlich taten.

„Postiche? Meinst du dieses Haarteil von anno dunnemals?“Laurence sah noch einmal nach.

„. . . ich meine Poutine. Eine Spezialitä­t aus Quebec. Fritten mit Curds and Whey, Bruchkäse. So was wie Käsebrösel.“James war argwöhnisc­h und bestellte lieber Querrippe, die mit einer silbernen Sauciere voller Bratensauc­e serviert wurde. Laurence’ Gericht war in brauner Suppe ersäuft.

Einsamkeit und

(Fortsetzun­g folgt)

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