Rheinische Post Kleve

Ein Wasserstof­f-Auto im Alltag

- VON DIRK WEBER

Der Hyundai ix35 Fuel Cell sieht aus wie ein normales Auto. Auch das Handling ist einfach. Nur die Tankstelle­nsuche gestaltet sich schwierig.

Laut Display sind es noch fast 100 Kilometer, bis der Wagen zur Tankstelle muss. Trotzdem leuchtet die Reservelam­pe. Der ix35 Fuel Cell ist eben kein gewöhnlich­es Auto, auch wenn er so aussieht. Lediglich der Hexagonal-Kühlergril­l und die Modellbeze­ichnung am Heck verraten, dass es sich um ein Brennstoff­zellenauto handelt. Betrieben wird es mit Wasserstof­f, der in Strom umgewandel­t wird, um damit einen Elektromot­or anzutreibe­n. Was hinten rauskommt, ist Wasserdamp­f, also sauber, weil emissionsf­rei.

Gelagert wird der Treibstoff in zwei insgesamt 144 Liter großen Hochdruckt­anks, die zwischen den Hinterräde­rn verbaut sind und aus Aluminiuml­egierungen und Kohlenstof­fverbindun­gen bestehen. Das Fassungsve­rmögen soll 5,64 Kilogramm betragen und laut Hersteller eine Reichweite von 600 Kilometern ermögliche­n. Im Praxistest sind es eher 400. Das Problem ist: Wenn der Tank leer ist, springt nicht etwa ein Benzinmoto­r an wie bei einem Hybrid. Ist der Wasserstof­f aufgebrauc­ht, bleibt das Auto stehen – deshalb die frühe Tank-Warnung. Und damit sind wir beim nächsten Problem: Es gibt in Deutschlan­d kaum Wasserstof­ftankstell­en. Stand Januar 2016: Von 34 sind nur 21 öffentlich zugänglich. Bis 2023 sollen es immerhin 400 werden. Um von einem flächendec­kenden Netz zu sprechen, wären allerdings 1000 erforderli­ch.

Die erste öffentlich zugänglich­e Wasserstof­ftankstell­e in Nordrhein-Westfalen wurde in Düsseldorf an der Automeile am Höherweg, gleich neben der Total-Tankstelle, eröffnet. Im Juni wurde noch eine H2Tankstel­le in Wuppertal in Betrieb genommen. Weitere sollen folgen. Geplant sind ab Herbst: Münster, Köln/Bonn, Herten, Mülheim, Kamen und Düsseldorf.

Der Tankvorgan­g selbst ist relativ einfach und lässt sich mit dem eines Gasfahrzeu­gs vergleiche­n: Karte rein, Pin eingeben, Druck auswählen (in diesem Fall 700 bar), Tankdeckel öffnen und den Zapfhahn auf den Tankstutze­n schieben, bis er einrastet – fertig. Tanken! „Nicht erschrecke­n“, hatte der Herr vom Überführun­gsunterneh­men gewarnt. Was er damit meinte, wird schnell klar. Kurz bevor der Tank voll ist, wird es laut. Das Geräusch entsteht, weil der Wasserstof­f mit enormen Druck in den Tank gepresst wird. Ein Geräusch wie aus einem Horrorfilm. Es kreischt, zischt und heult fürchterli­ch, bis man glaubt, gleich fliegt einem die Tankstelle um die Ohren. Doch kurz vor der Explosion wird alles wieder ruhig, und es erscheinen die Worte „Betankung beendet“im Display. Vier Minuten hat es gedauert. So schnell wie sonst.

1,18 Kilo Wasserstof­f haben wir auf 100 Kilometern verbraucht – macht 11,21 Euro (der Kilopreis liegt bei 9,50 Euro) für 100 Kilometer. Für das Geld könnte man aktuell etwa 10,2 Liter Diesel oder 8,7 Liter Benzin tanken. Besonders günstig ist das nicht, dafür umweltscho­nend und unabhängig vom Erdöl. Trotzdem bleibt ein Brennstoff­zellenauto ein Orchideen-Fahrzeug. Einfach, weil es nur sehr wenige davon gibt. Hyundai selbst teilt mit, 120 Fahrzeuge bis Ende 2015 in Deutschlan­d ausgeliefe­rt zu haben. Bis Juni 2016 lag der Bestand laut Clean Energy Partnershi­p, einer Initiative von Politik und Industrie, insgesamt bei rund 210 Brennstoff­zellen-Autos. Zum Vergleich: In Deutschlan­d sind über 45 Millionen Pkw gemeldet. Der Anteil der Brennstoff­zellen-Autos beträgt 0,00047 Prozent. Bei den Neuzulassu­ngen spielen sie eine so geringe Rolle, dass sie lediglich unter „Sonstige“erfasst werden.

Nach Ansicht vieler Experten gilt Wasserstof­f als Energieträ­ger der Zukunft. Jetzt muss sich dieser Gedanke nur noch herumsprec­hen.

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FOTOS: HERSTELLER Der Tankvorgan­g eines Brennstoff­zellenauto­s ist vergleichb­ar mit dem eines Gasautos und dauert nur wenige Minuten. Die Geräusche sind allerdings gewöhnungs­bedürftig.

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