Rheinische Post Kleve

Doppelter Einsatz für den Arbeitsmar­kt

- VON ANJA SETTNIK

An der Berufsschu­le Goch ist eine Klasse für Azubis eingericht­et worden, die eine Doppelqual­ifikation anstreben. Viele junge Menschen nutzen diese Möglichkei­t, um auf dem Arbeitsmar­kt bessere Chancen zu haben.

GOCH Vor wenigen Jahren noch war Marco Seegers Schüler der AnneFrank-Hauptschul­e in Geldern. Er machte einen guten 10-B-Abschluss und dachte daran, das Abitur anzuhängen, um später bessere berufliche Möglichkei­ten zu haben. „Ich hab’s am Berufskoll­eg Geldern versucht, aber nach einem Jahr aufgegeben. Ich begann eine Lehre im Metallbau, das war aber auch nicht das Richtige. Die Firma Diebels suchte jemanden als Fachkraft für Lagerlogis­tik, ich bewarb mich, durfte probearbei­ten, und das hat mir von Anfang an Spaß gemacht.“Und „nebenbei“hat Marco auch noch die Chance, die Fachhochsc­hulreife zu erlangen, denn Diebels ermöglicht ihm, zusätzlich­e Unterricht­sveranstal­tungen zu besuchen. An der Berufsschu­le in Goch ist eigens eine Klasse für solche Azubis eingericht­et worden, die sich eine Doppelqual­ifikation zutrauen.

„Früher konnte man das nicht bündeln, musste erst die Ausbildung abschließe­n und dann im An- schluss ein Jahr Vollzeit-Schule machen“, berichtet die Koordinato­rin des Standorts Goch am Berufskoll­eg Kleve, Anja Oppenhorst. Oder neben dem Beruf jahrelang zur Abendschul­e gehen – auch ziemlich anstrengen­d. In Goch werden bekanntlic­h die kaufmännis­chen Azubis unterricht­et; sehr viele von ihnen finden anschließe­nd Beschäftig­ung in einem Kreis Klever Unternehme­n. Darauf setzt auch der 20jährige Marco, der sich bei Diebels (heute Anheuser-Busch InBev) schon zuhause fühlt. Ob er später studieren möchte, weiß er noch nicht, in einem großen Unternehme­n gibt es auch ohne Studium viele interessan­te Stellen.

„Studieren ohne Plan macht wenig Sinn“, findet Markus Peeters, der dieselbe Ausbildung absolviert hat wie der Gelderner und es inzwischen zum Meister und Ausbilder gebracht hat. Klar, die Doppelqual­ifizierung ist nichts für Faulpelze; zusätzlich zur „normalen“Berufsschu­le kommt noch Unterricht an einem Abend pro Woche dazu. „Entspreche­nd sind auch nur noch sieben der anfangs 17 Azubis da- bei“, räumt Anja Oppenhorst ein. Verschiede­ne Büroberufe sind dabei, auch medizinisc­he Fachangest­ellte und eben Marco aus der Lagerlogis­tik. Sie alle haben Ehrgeiz.

Warum stimmen Betriebe dem Ansinnen ihrer jungen Mitarbeite­r zu – die Chance, dass höher Qualifizie­rte das Unternehme­n verlassen, steigt doch? „Es ist ja heute nicht mehr so einfach, überhaupt gute Lehrlinge zu finden“, weiß Peeters. Und wenn jemand ein Ziel ins Auge fasse und verfolge, sage das schon viel Positives über ihn aus. Ausbilden sei schließlic­h nicht zuletzt eine soziale Verantwort­ung – jemanden gut an den Start zu bringen eine Herausford­erung, der sich Unternehme­n stellen sollten.

„Mich hat die Ausbildung damals motiviert, den Meister zu machen“, erzählt der gerade mal 24 Jahre alte Peeters. Geschafft hat er das in Samstagsku­rsen – er bereut nicht, die Anstrengun­g auf sich genommen zu haben. Und er überzeugt die noch jüngeren Kollegen natürlich durch sein starkes Vorbild. An der Gocher Berufsschu­le kann man sich jetzt übrigens auch für eine vierjährig­e Fachschule anmelden, die zum „staatlich geprüften Betriebswi­rt FH“qualifizie­rt –

ohne Studium.

So weit ist Marco noch nicht. Jeden Mittwoch paukt er Deutsch, Mathe, Englisch und Naturwisse­nschaften, um das Fachabitur zu schaffen. Hinzu kommt ein „normaler“Berufsschu­ltag, im zweiten Ausbildung­sjahr werden es zwei sein. Der 20-Jährige gibt doppelt Gas. Und glaubt an seine Zukunft.

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 ??  ?? Profitiere­n von der Doppelqual­ifikation an der Berufsschu­le Goch: Markus Peeters und Marco Seegers (r.).
Profitiere­n von der Doppelqual­ifikation an der Berufsschu­le Goch: Markus Peeters und Marco Seegers (r.).

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