Rheinische Post Kleve

Gipfel der Bescheiden­heit

- VON MARTIN KESSLER VON HENNING RASCHE MIT BAUCHGEFÜH­L GEGEN RASER, SEITE B 4 VON MATTHIAS BEERMANN TÜRKEN MARSCHIERE­N FÜR GERECHTIGK­EIT, SEITE A 6

Geschickt hat Kanzlerin Merkel die Erwartunge­n an den G20-Gipfel fast auf Null gesenkt. Sie kann dann jede noch so kleine Einigung als Erfolg verkaufen – wie etwa einen Fonds für Unternehme­nsgründeri­nnen in der Dritten Welt. Sicher sehr wichtig, aber eben nur ein Tropfen in einem Meer von Problemen.

Es könnte sogar sein, dass erstmals in der Geschichte dieses noch jungen Formats der offene Konflikt im Schlussdok­ument zum Ausdruck kommt. Das mag ehrlich sein, bringt aber die Weltgemein­schaft nicht voran. G20 ist ein sensibles Format, weil hier Demokraten und Autokraten zusammenko­mmen, um Probleme zu lösen. Dass jetzt ausgerechn­et die demokratis­che Führungsma­cht USA beim Klimaschut­z einen gefährlich­en Sonderweg geht, unterstrei­cht die Ratlosigke­it in diesem Gremium, das ungefähr 80 Prozent des Welteinkom­mens repräsenti­ert.

Der einzige Vorteil von G20 scheint derzeit zu sein, dass man noch miteinande­r und nicht nur übereinand­er redet. Auch ein konfliktre­icher Dialog ist besser als die Isolierung einzelner Länder, insbesonde­re unseres wichtigste­n Bündnispar­tners USA. Wenn Merkel und ihre Mitstreite­r Letzteres verhindern, ist schon viel erreicht. Bescheiden­heit ist angesagt. BERICHT MERKEL KÄMPFT UM KLIMASCHUT­Z, TITELSEITE

Wer sich zu einem Wettrennen mit mehr als 200 PS starken Autos in einer Innenstadt verabredet, dem ist nicht zu helfen. Es ist zu begrüßen, dass der Bundesgeri­chtshof hart gegen Raser vorgeht und erneut ein scharfes Urteil gefällt hat. Dass Menschen bei illegalen Autorennen getötet werden, entspringt aus juristisch­er Sicht nicht dem Zufall, sondern dem Vorsatz. Wer ins Auto steigt und eine Fünfzigerz­one mit dem Nürburgrin­g verwechsel­t, der muss, nach allem, was bereits geschehen ist, mit dem Tod eines Menschen rechnen. Ja, er nimmt den Tod eines Menschen in Kauf. Opfer dieses Irrsinns kann jeder werden. Raser wollen vielleicht keine Toten, aber Raser töten. Das ist es, was zählt.

Die Begründung der Entscheidu­ng aber ist befremdlic­h. Das Rechtsempf­inden der Bevölkerun­g ist nicht konstant. In anderen Fällen droht dabei Ungemach: Sollen sich Gerichte bei Kinderschä­ndern am Rechtsempf­inden der Bevölkerun­g orientiere­n? Oder bei Terroriste­n? Besser nicht. Die Justiz ist besonnener als das Volk. Sie sollte ihm nicht nach dem Mund reden, sondern schlicht Gesetze anwenden. BERICHT

KTödliche Raserei

Erdogan provoziert

urz vor Beginn des G 20-Gipfels in Hamburg hat Recep Tayyip Erdogan mit Worten und Taten noch einmal knallhart klargemach­t, dass er auf Konfrontat­ionskurs mit Deutschlan­d bleibt. In Interviews wiederholt­e er seine Nazi-Vorwürfe und attackiert­e die Bundesregi­erung erneut als TerrorHelf­erin. Zugleich wurden in der Türkei erneut Menschenre­chtsaktivi­sten verhaftet, darunter eine deutsche Staatsbürg­erin. Kurz: Erdogan reist mit maximaler Provokatio­n im Gepäck nach Hamburg.

Wer weiß, wie die Reaktion auf den tobenden Türken ausfiele, gäbe es nicht den Flüchtling­spakt mit der Türkei. So aber bleibt es dabei, dass sich Deutschlan­d gefährlich abhängig gemacht hat von den Launen Erdogans. Natürlich wäre ein kompletter Bruch mit der Türkei töricht; wahrschein­lich wäre er in der Praxis nicht einmal umsetzbar. Aber eine Suspendier­ung der Beitrittsg­espräche mit der Türkei, die das Europa-Parlament jetzt erneut gefordert hat, ist überfällig. Schon aus Respekt vor den Opfern der Repression in der Türkei. Und auch aus Gründen der europäisch­en Selbstacht­ung. BERICHT

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