Modeste wohl doch nach China – endlich
Der treffsicherste FC-Angreifer wechselt wahrscheinlich für 35,7 Millionen Euro zu Tianjin Quanjian.
KÖLN „Was lange währt, wird endlich gut.“Zumindest der erste Teil der alten Redensart trifft auf das Transfer-Hickhack um Anthony Modeste vom 1. FC Köln zu, seit Monaten zog sich sein China-Wechsel hin. Als „gut“werden es die Vereinsverantwortlichen und der Spieler mutmaßlich auch bezeichnen, dass der Poker mit dem chinesischen Erstligisten Tianjin Quanjian ein Ende zu finden scheint. Für 35,7 Millionen Euro wechselt der Stürmer der „Bild“zufolge nach Fernost, lediglich Details seien noch zu klären. FC-Manager Jörg Schmadtke verriet dem „Kicker“, dass es „in diese Richtung“laufen dürfte. Er dementierte aber eine Einigung und die laut „Bild“von Modeste bereits getätigte Vertragsunterschrift bis 2021 bei Tianjin Quanjian. Am Wochenende soll die offizielle Bestätigung durch die Vereine erfolgen, falls sich das Blatt nicht nochmals wendet. Das Transferfenster in China schließt kommenden Freitag.
Die Spekulationen um einen möglichen Modeste-Wechsel hielten sich schon seit Januar. Damals war Tianjin Quanjian bereit, 50 Millionen Euro Ablöse zu zahlen. Die Kölner wollten ihren erfolgreichsten Angreifer (25 Tore in der abgelaufenen Bundesliga-Saison) aber seinerzeit nicht abgeben. Seitdem galt ein Transfer im Sommer als wahrscheinlich. Die Chinesen boten zuletzt allerdings „nur“35 Millionen Euro in Ratenzahlung, außerdem forderten Modestes Berater je drei Millionen Euro von der Summe. Daraufhin brach der FC die Verhandlungen vergangene Woche ab, das Geschäft war angeblich vom Tisch.
Vor dem Trainingsauftakt am Montag bestritt Modeste gegenüber der „Bild am Sonntag“, dass er seinen Klub überhaupt habe verlassen wollen. Vielmehr dränge der FC auf einen Wechsel, er selbst sei nicht einmal in die ersten Verhandlungen eingeweiht worden. „Ich habe zu keinem Zeitpunkt gebeten, gehen zu können. Hat irgendjemand gehört, dass ich gesagt habe, dass ich weg will? Niemals!“, erklärte Modes-
Was ist bloß mit unseren Helden los? Im Sprint einer Tour-Etappe räumt Peter Sagan einen Kollegen mit einem Ellenbogenschlag buchstäblich aus dem Rennen. Und er wundert sich anschließend, dass er fortan das Treiben der Kollegen am Fernseher verfolgen muss. Beim bewegenden Turnier um den Pokal der Fußball-Konföderationen hatte der Chilene Gonzalo Jara vorgemacht, wie wirkungsvoll Treffer mit dem Ellenbogen sind. Weil Jara selbst nach Zuschaltung des TV-Gerichts mit einer Verwarnung davonkam, wird sich Sagan umso mehr gewundert haben.
Der TV-Experte Mehmet Scholl ist mal kurz in den Streik getreten, weil te in dem Interview. Beim Aufgalopp am Geißbockheim vor fünf Tagen ließ sich der Torjäger dann von über 1000 Fans feiern und wiederholte seine Absicht, in Köln zu bleiben. Die FC-Bosse bestritten Modestes Darstellungen vehement.
Nach den öffentlichen Bekundungen sprachen Manager Jörg Schmadtke und Geschäftsführer Alexander Wehrle erneut mit dem 29-Jährigen, um ihm die erforderlichen Rahmenbedingungen eines Wechsels zu erläutern. Im Laufe der Woche besserte Tianjin Quanjian sein Angebot nach, möchte die gut 35 Millionen Euro nun doch sofort überweisen. Fließt das Geld auf einen Schlag, wird der FC offenbar zustimmen. Trainer Peter Stöger sagte er nicht begreifen wollte, dass sein Sender ausgiebig über den russischen Dopingskandal berichten wollte. Das muss man ja auch nicht verstehen, wo doch täglich die Gelegenheit besteht, viel mehr bunte Geschichtchen um Stars und tolle Typen erzählen (und senden) zu können.
Scholl dokumentiert der Welt auch in seinem zweiten Leben nach dem als Fußball-Star, wie sich die Hauptdarsteller in diesem Geschäft fühlen: vor allem als Hauptdarsteller nämlich. Damit geben sie sich das Recht, über richtig und falsch zu entscheiden. Und dabei sind sie selbst der Maßstab.
Das haben wir Sportfans davon, normale Menschen zu Helden unse- im „Express“zum Fall Modeste: „Meine Einschätzung ist, dass er diesen Transfer machen möchte, wenn es möglich ist.“Der Österreicher behält wohl Recht. Die gestrige Einheit absolvierte Modeste nicht mehr, der FC stellte ihn frei.
Er würde Lukas Podolski als Kölner Rekordtransfer ablösen. „Poldi“verließ den Klub 2013 für 15 Millionen Euro Richtung London zum FC Arsenal. Modestes ehemaliger Verein (2013 bis 2015), die TSG 1899 Hoffenheim, dürfte sich über eine Beteiligung von fünf Millionen Euro freuen. Modestes Gehalt könnte sich in China auf rund elf Millionen Euro jährlich erhöhen. Vergangene Woche holten die Kölner Jhon Cordoba für 17 Millionen Euro aus Mainz als designierten Nachfolger im Sturmzentrum. Unklar ist, ob Tianjin Quanjian neben Modeste auch Bundesliga-Torschützenkönig Pierre-Emerick Aubameyang von Borussia Dortmund unter Vertrag nimmt. Kolportierte Ablöse für ihn: 70 Millionen Euro.
Dürfen Helden böse sein? Profi-Sportler wollen gewinnen. Dafür ist häufig jedes Mittel recht. Peter Sagans Ellbogencheck beim Tour-Sprint ist dafür nur ein Beispiel.
res Alltags zu erklären. Es ist nur logisch, dass Helden die Welt allein aus ihrem Blickwinkel wahrnehmen. Helden im Sport sind Egoisten, weil sie ihre Stellung durch Erfolge bewahren. Und weil diesen Erfolgen lästige Konkurrenten im Weg stehen, räumt man die dann gern mit dem Ellenbogen oder einem wörtlichen Schlag unter die Gürtellinie weg. Das hat Scholl mit Mario Gomez vorgemacht. Er fürchte, dass Gomez sich wundliege und zwischendurch mal gewendet werden müsse, sagte der Experte bei der EM 2012 – ein durch und durch cleveres, sprachgewandtes und ich-bezogenes Kerlchen, der Herr Scholl.
Entrüstet zeigten damals die Moralisten auf Scholl, heute zeigen sie auf Sagan. Und sie stellen fest, dass beide ihrer Vorbildfunktion nicht gerecht werden. Darüber wundern sich nun wieder die Helden. Denn Vorbilder wollen die gar nicht sein. Sie wollen gewinnen – auf der Straße, auf dem Rasen, im Studio beim Wettlauf um die frechste Bemerkung. Das ist nur konsequent in der reichlich erbarmungslosen Leistungsgesellschaft des Profisports. Dabei ist nicht einmal ausgeschlossen, dass Sieger auch gute Menschen sein können. Aber im Wettbewerb müssen sie eben keine guten Menschen sein. Manchmal stört das sogar. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de