„Nicht auf ein totes Pferd setzen“
Die nordrhein-westfälische Heimat- und Bauministerin will die Mietpreisbremse abschaffen und die Traditionen auf dem Land stärken.
DÜSSELDORF Ina Scharrenbach sitzt auf dem Stuhl von Armin Laschet. In seiner Zeit als Integrationsminister gehörte ihm das Büro, in dem heute seine Parteifreundin sitzt. Die Zuständigkeiten sind allerdings andere: Die 40-Jährige ist NRW-Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung. Wir treffen sie zu ihrem ersten Interview. Frau Scharrenbach, warum braucht NRW ein Heimatministerium? SCHARRENBACH Je globaler die Welt wird, umso stärker wird das Bedürfnis nach Heimat, nach einem Zusammengehörigkeitsgefühl vor Ort. Viele Menschen beunruhigt die zunehmende Schnelligkeit. Sie sehnen sich nach Halt und Orientierung in der Stadt, in der Region, in der sie leben. Deshalb wollen wir uns für lebenswerte Städte einsetzen und dazu beitragen, Traditionen in den einzelnen Regionen zu stärken und zu erhalten. Was heißt das konkret für Ihre politische Arbeit als Heimatministerin? SCHARRENBACH Wir sprechen mit den Menschen, was für sie Heimat ganz konkret bedeutet. Dazu passt auch das Regionsschreiber-Projekt der Landesregierung, bei dem zehn Autorinnen und Autoren über den Alltag und die kulturelle Vielfalt unseres Landes berichten. Wir wenden uns aber auch an jene, die bei uns eine neue Heimat finden wollen. Wie heißt es noch gleich? Erst wenn du Heimat verlierst, lernst du Heimat zu schätzen. Sie sind ja nicht nur Ministerin für Heimat, sondern auch für Kommunales, Bau und Gleichstellung – was hat das eine mit dem anderen zu tun? SCHARRENBACH Heimat ist die Brücke zwischen meinen Themen. Kommunales und Stadtentwicklung sind eng miteinander verzahnt. Bei Städtebau und Stadtplanung etwa sollte man stärker die Bedürfnisse von Frauen bedenken, Frauen viel stärker beteiligen, etwa um mögliche Angst-Räume zu vermeiden. Und auch bei Heimatthemen gibt es einen starken Frauenbezug: Es gibt viele herausragende historische Frauen-Persönlichkeiten in den Regionen. Wie stehen Sie zur Frauenquote? SCHARRENBACH Positiv. Wir streben an, im Landesdienst die vorgesehene Quote von 40 Prozent Frauen in wesentlichen Gremien der Verwaltung zu erreichen. Im Koalitionsvertrag ist von vielen Bundesratsinitiativen die Rede. Frauenpolitische Themen sind nicht dabei. Ist das nicht notwendig? SCHARRENBACH Aktuell sehe ich hier keinen Anlass für eine Bundesratsinitiative. Auf Landesebene wird ein Schwerpunkt unserer frauenpolitischen Arbeit die Eindämmung von Gewalt sein, auch als Folge der Kölner Silvesternacht. Wir wollen eine Landeskoordinierungsstelle zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Männer und zur Stärkung des Opferschutzes schaffen, Interventionsketten erarbeiten und dabei klar stellen, wer wann für was zuständig ist. Das fehlt in dieser Form bisher in NRW. Außerdem wollen wir zusammen mit dem NRW-Arbeitsministerium daran arbeiten, den Wiedereinstieg in den Beruf zu erleichtern. Wir wollen den Girls‘ und Boys‘ Day erweitern, weg vom reinen Symboltag. Außerdem werden wir einen NRW-Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern entwickeln, der überprüfen soll, ob das Landesgleichstellungsgesetz wirkt. Die bisherigen Gleichstellungsberichte der einzelnen Landesministerien schaffen wir ab. Die schwarz-gelbe Landesregierung will den Kommunalsoli streichen. Was soll ihn ersetzen? SCHARRENBACH Wie Sie richtigerweise anführen, wollen wir den Kommunalsoli ersatzlos abschaffen. nerationen einschränken. Noch sind wir in einer Niedrigzinsphase. Aber wenn die Zinsen steigen, verschärft sich das Problem. Im Wahlkampf haben CDU und FDP versprochen, die Integrationspauschale für Flüchtlinge künftig vollständig an die Kommunen weiterzuleiten. Im Koalitionsvertrag steht davon nichts mehr. Warum nicht? SCHARRENBACH Der Finanzminister rechnet das gerade. Haben Sie darüber in den Koalitionsverhandlungen gar nicht gesprochen? SCHARRENBACH Wir müssen uns jetzt sorgfältig anschauen, was finanziell möglich ist. Inwiefern? SCHARRENBACH Wir führen erst noch Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden. Da würde ich ungern vorgreifen. Werden Sie die Integrationspauschale in diesem und im nächsten Jahr komplett weiterleiten oder nicht? SCHARRENBACH Ich weiß es noch nicht. Das hängt von den finanziellen Möglichkeiten ab. In NRW gibt es Steuer-Dumping. Städte wie Monheim locken mit extrem niedrigen Gewerbesteuern... SCHARRENBACH Unser zentraler Kritikpunkt war immer, dass es eine Steuerspirale nach oben gibt. Aber auch da stehen die Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden noch aus. Was halten Sie von der Mietpreisbremse? SCHARRENBACH Gar nichts, weil das genauso ein staatlicher Eingriff ist. Weil sie nicht wirkt, muss man da nicht weiter auf ein totes Pferd setzen. KIRSTEN BIALDIGA UND THOMAS REISENER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.