Spider-Man schwänzt die Schule
In „Homecoming“ist der Superheld so jung wie nie zuvor. Er macht sich direkt nach dem Unterricht auf, die Welt zu retten.
Spider-Man ist der einzige Superheld, der über ein Mindeshaltbarkeitsdatum verfügt. Mit regelmäßigem Workout und ein paar BotoxSpritzen können Kollegen wie Robert Downey Jr., Chris Hemsworth und Chris Evans noch die nächsten zehn Jahre in den „Iron-Man“-Anzug steigen, den „Thor“-Hammer schwingen oder das „Captain America“-Schild hochhalten. Aber Spider-Man ist per Definition ein jugendlicher Held, den man sich als Mann in den besten Jahren nicht recht vorstellen kann.
Die körperlichen Verwandlungen, die Peter Parker nach dem Spinnenbiss durchlebt, sind seit je-
Dieser Film singt kein Loblied auf die Freuden der großen Stadt wie
seine Vorgänger
her eine Metapher für den unwillkürlichen Hormonterror der Pubertät und die Abenteuer des Helden auch immer Teil eines Reifungsprozesses hin zum Erwachsenwerden. Kein Wunder, dass das Franchise in 15 Jahren schon die dritte Neuauflage über sich ergehen lassen muss. Dreimal schwang sich Tobey Maguire durch die Hochhausschluchten New Yorks. Mit „Amazing Spiderman“brachte es Nachfolger Andrew Garfield nur noch auf zwei Folgen der Reihe und wird nun vom bisher jüngsten Darsteller, Tom Holland, abgelöst.
Die Jugendlichkeit des Schauspielers ist der Schlüssel für die Frische dieses dritten Neuanfangs. Denn eigentlich ist dieser „SpiderMan“noch ein „Spider-Boy“mit all den Problemen, die ein 15-jähriger High-School-Schüler hat – von der Ausbildung zum Superhelden ganz zu schweigen. Seinen ersten Auftritt hatte das agile Kerlchen bereits in „Captain America: Civil War“, woran zu Beginn von Jon Watts „Spider-Man: Homecoming“ein Smartphone-Video erinnert, das der aufgeregte Junior-Superheld selbst gedreht hat. Seitdem fristet Peter Parker wieder sein ordinäres High-School-Dasein und wartet vergeblich auf einen neuen Einsatzbefehl der Avengers. Tony Stark alias Iron Man (Robert Downey Jr.) empfiehlt dem Spinnenjungen, sich erstmal auf lokaler Ebene zu bewähren.
Peter kann es kaum erwarten, nach der Schule schnell seinen Spi- der-Man-Anzug überzuziehen, um an seinen heroischen Fähigkeiten zu arbeiten. In vollem Ornat hilft er alten Damen über die Straße, konfisziert das Bike eines FahrradRowdies und trainiert mit hoher Absturzquote seine Schwungtechniken am klebrigen Spinnenfaden. In schönster jugendlicher Hibbeligkeit turnt dieser Superhelden-Azubi durch die Straßen von Queens, bis er endlich ein richtiges Verbrechen entdeckt.
Aber die Bankräuber, die gerade einen Geldautomaten knacken, verfügen über unbekannte High-TechWaffen, und der Einsatz endet in einem Desaster. Auf eigene Faust nimmt Peter Parker die Spur zu dem Waffenhändler Vulture (Michael Keaton) auf, der den Schwarzmarkt mit außerirdischer Technik ver- sorgt. Es ist eine Abwechslung im Kosmos der Comic-Verfilmungen, einem jungen Superhelden zu folgen, der von seinen übernatürlichen Fähigkeiten überfordert ist.
Dem gegenüber steht die Unverfrorenheit und Lebensenergie, die bisher kein Darsteller derart glaubwürdig rübergebracht hat wie der sympathische Tom Holland. Sein Peter Parker ist ein Teenager, der mit juveniler Ungeduld und Selbstüberschätzung sein Heldendasein in die Hand nimmt, immer wieder auf die Nase fällt, sich aufrappelt und neben der Verbrechensbekämpfung seinen High-School-Alltag auf die Reihe bekommen muss. „Aber wir haben doch einen Spanisch-Test“, sagt sein Kumpel Ned (Jacob Batalon), als Peter blaumachen will, um die Welt zu retten. im Hier und Jetzt und setzt in den Action-Szenen auf die kinetische Energie seines Helden, der mit beneidenswerter Leichtigkeit über das Gitter des Schulhofes hopst und sich in allerbester Absicht in die weite Welt schwingt.
USA 2017 – Regie: Jon Watts, mit Tom Holland, Marisa Tomei, Michael Keaton, Robert Downey Jr., 133 Min.