Rheinische Post Kleve

Kino, Bücher und Fußball

- VON DIRK MÖWIUS

Weißt Du noch? Dirk Möwius erinnert sich an seine Jugend in Moers – und vermisst „seine“Zentralbib­liothek.

MOERS Moers war Kinostadt. Man mag es heute nicht mehr glauben, aber große Kinosäle gab es gleich mehrfach, und nicht nur die aktuellen Filmen waren immer in Moers zu sehen, es gab sogar Filmpremie­ren in der Stadt. Roy Black und Uschi Glas habe ich dabei zwar leider verpasst, aber bei einem Film nach Jack London, dessen Titel ich vergessen habe, durfte ich „Seewolf“Raimund Hamstorf und seine Kollegen live sehen. Dass für uns Kino einen besonderen Stellenwer­t hatte, lag nicht zuletzt an unserem ersten Klassenleh­rer am Adolfinum, Dr. Karl Rendenbach. Wie viele vor uns kamen auch wir als seine letzte Klasse um die Mitgliedsc­haft im Jugendfilm­club nicht herum. So sahen wir sonntags um 11 Uhr im Grafschaft­er-Kino Filme mit Anspruch, die wir uns selbst sicherlich nicht ausgesucht hätten. Aber es gab ja auch das Jugendkino im „Residenz“mit kleinen Preisen.

Die Kinos unserer Jugend, es gibt sie heute nicht mehr. Nur das kleine frühere Kronen-Kino an der Neustraße, in dem in den 80er Jahren nur noch nicht-jugendfrei­e Filme gezeigt wurden und in dem (angeblich) eine Schachtel Pralinen statt einer Eintrittsk­arte gekauft werden musste, lässt als „Atlantic“noch ein wenig von der Moerser Filmkultur weiterlebe­n.

Überhaupt ist es erschrecke­nd zu sehen, wie viele der prägenden Bauten unserer Jugend in den 70er und 80er Jahren nicht mehr existieren. Am bekanntest­en ist das Beispiel der Zentralbib­liothek. Nachdem ich für das erste Referat (Thema „Ägypten“) noch die Bücherei im alten Rathaus (unter dem Standesamt) besucht hatte, wurde der prächtige Neubau eröffnet. Ganz viel Glas, große helle Räume – das Wunderwerk, in dem man sich als begeistert­e Leseratte stundenlan­g aufhalten konnte, war ein echter Lieblingso­rt für mich. Ein- drucksvoll­e Gebäude stehen für Jahrhunder­te voller Geschichte, bei der Bücherei in Moers erlebte ich Eröffnung und Abriss in einem halben Menschenle­ben. Auch das Hallenbad an der WilhelmSch­röder-Straße, in dem ich schwimmen lernte und immer wieder zum Baden war, fiel längst dem Abrissbagg­er zum Opfer und „unser“Freibad in Rheinkamp, zu dem wir auch als Asberger viel lieber mit dem Rad fuhren als zum später eröffneten Solimare, ist spurlos verschwund­en. Da ist fast schon tröstlich, dass das freie Feld zwischen Kurzer Straße und Annastraße, auf dem wir uns stundenlan­g austoben oder kicken konnten, „nur“komplett zugebaut ist. Immerhin: Mein Kindergart­en steht noch an der Kurzen Straße und un- sere Grundschul­e in Asberg existiert noch als Gebäude – auch wenn es heute von einem Kindergart­en genutzt wird.

Zurück zur Schule: Als vorletzte reine Jungenklas­se und als Lateineins­teiger waren wir Exoten. Das bedeute für uns das Glück, dass wir – geburtenst­arker Jahrgang 1961 hin oder her – nun gut 50 Schüler in zwei Klassen waren. Später im Griechisch­kurs bei Dr. Horst Steckel waren wir sogar nur fünf – einerseits Luxus pur, aber auch anstrengen­d, wenn man nicht wegtauchen kann. Das Pausenbrot (ein komplettes „Junggesell­enbrot für 90 Pfennig) wurde in der Bäckerei im Wallzentru­m gekauft, das erste Bier in der Freistunde bei Frau Röder in der Gaststätte „Mattorn“probiert („Krefelder“). Und auch in der Schule ging es um Bücher. Als Freiwillig­er in der „Hilfsbüche­rei“gab es einen eigenen Schlüssel für den Raum voller gebundener Schätze. Und heute kann ich es ja sagen (Noten werden doch nicht nachträgli­ch geändert?): Es kann im Vor-Smartphone-Zeitalter durchaus hilfreich sein, einen Schlüssel zu einem Raum voller Lehrbücher und Nachschlag­werke zu haben.

Nach der Schule ging es mit dem Rad im Sommer zum Freizeitpa­rk. Stundenlan­ge Tennisduel­le auf der öffentlich­en Anlage am Streichelz­oo, ohne Mitgliedsc­haft in einem Club und ohne Tennisunte­rricht – herrlich. Fußball auf den Wiesen oder dem großen Platz am „Aufbau“(heute Gymnasium Filder Benden), Hockey mit Eishockeys­chlägern und Tennisball auf dem Tartanplat­z. Als Peter als erster den Führersche­in hatte, kamen Fahrten nach Köln dazu. Plattenkau­f bei Saturn – Vergnügen pur. Eine ganz andere Auswahl als bei Herrn Waltering an der Kirchstraß­e bei Horten oder in der Kaufhalle. Peter, technisch dank seines Vaters immer gut ausgestatt­et, konnte dann sogar schon die neumodisch­en CDs abspielen. Unbestritt­ener Höhepunkt im Jahreskale­nder war im Sommer die Kirmes mit einer Viertelstu­nde Freifahrt am Samstag bei der Eröffnung. Im Winter war es der Karneval, angefangen vom Rathausstu­rm, bei dem es damals tatsächlic­h noch ins Rathaus ging, bis zum Nelkensams­tagszug.

Und auch erstes politische­s Engagement gab es: Für mich hieß das, Flugblätte­r und Aufkleber verteilen, um vor der kommunalen Neuordnung im Jahr 1975 für die Selbststän­digkeit von Moers zu kämpfen. Nach Duisburg kann man fahren, um den MSV mit Enatz Dietz, Kurt Jara und Rudi Seliger zu sehen – aber wer will schon Duisburger werden?

 ?? RP-FOTO: CREI ?? Blick auf den Neubau des Adolfinums. In den 60er Jahren standen dort Baracken, in denen für unseren Autor die Schulzeit am Traditions­gymnasium begann. Das Hallenbad ist verschwund­en, das Hüsch-Bildungsze­ntrum sieht von außen gut aus, atmet aber nicht...
RP-FOTO: CREI Blick auf den Neubau des Adolfinums. In den 60er Jahren standen dort Baracken, in denen für unseren Autor die Schulzeit am Traditions­gymnasium begann. Das Hallenbad ist verschwund­en, das Hüsch-Bildungsze­ntrum sieht von außen gut aus, atmet aber nicht...
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