Martin Schulz in der Offensive
Martin Schulz will es offenkundig noch einmal wissen. Zwar denkt der SPDKanzlerkandidat nach eigenen Worten angesichts der miserablen Umfragen auch hin und wieder mal „Sch....“. Aufgeben kommt für ihn aber nicht infrage. Und tatsächlich hat er mit seinem jüngsten Aufschlag den richtigen Riecher bewiesen.
Der etwas ausufernde Fünf-Punkte-Plan setzt die Union unter Druck, Stellung zur Zukunft der Automobilindustrie zu beziehen. Dabei dürfte zwar Schulz‘ Wunschvorstellung kaum gelingen, die Folgen des Dieselskandals und den damit verbundenen Glaubwürdigkeitsverlust der Politik allein auf die Union abzuwälzen. Aber er sorgt mit dem Papier dafür, dass die Bundeskanzlerin ihre Komfortzone verlassen muss. Über kurz oder lang wird sie Stellung beziehen müssen, spätestens wenn es in einem Fernsehduell zum direkten Schlagabtausch kommt. Und dass die Deutschen bei dem Thema sehr emotional reagieren, zeigen die jüngsten Umfragen sehr genau. Schulz geht jedoch auch ein Risiko ein. Er darf es in der Debatte nicht übertreiben, um seinen Parteifreund und niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil nicht noch stärker in die Bredouille zu bringen. BERICHT DIESELSKANDAL SETZT MERKEL UNTER DRUCK, TITELSEITE
Aus alten Krimis kennt man noch die Polizeibeamten, die im Kastenwagen vor dem Haus des Verdächtigen parken und dessen Telefon abhören. Heute kämen die Ermittler damit nicht mehr weit. Längst wird auch per Whatsapp & Co. kommuniziert. Klar, dass Ermittler da mitlesen wollen. Und natürlich gibt es begründbare Fälle, in denen sie nach einem richterlichen Beschluss auch solche Kanäle überwachen können müssen – etwa bei Terrorgefahr oder Kinderpornografie. Insofern ist es gut, dass der Gesetzgeber inzwischen reagiert.
Ein Grundsatz darf dabei nicht vergessen werden: Nicht alles, was technisch möglich ist, sollte auch möglich sein. Gerne mäkelt man im Westen über Konzerne wie Apple, wenn sie aus Geschäftsinteresse mal wieder vor dem chinesischen Überwachungsstaat einknicken und sich dessen Regeln beugen. Gerne vergisst man, dass auch westliche Behörden immer mehr die Daumenschrauben anlegen. Von Verhältnissen wie in China sind wir zwar weit entfernt, aber eine gute Entwicklung ist das nicht. Die Überwachungswut muss Grenzen haben. BERICHT
IDruck vom Staat
Azubis auf Reisen
n einer Welt, in der nahezu jeder seinen Urlaub in fernen Landen verbringt, überrascht die Nachricht, dass Azubis nicht von zu Hause wegwollen. Wären nämlich die Schulabgänger im Beruf so flexibel wie in den Ferien, könnten fast alle einen Ausbildungsplatz bekommen. Es gibt genügend Angebote – allerdings häufig nicht im heimatlichen Umfeld und oft genug auch nicht im Traumberuf. Weil Bayern boomt, werden dort Azubis gesucht, während in NRW Ausbildungsplätze fehlen. Also: Auf nach Bayern? So einfach ist das nicht. Jugendliche vom Rhein, die sich nah der Alpen ausbilden lassen wollen, könnten dort Kost und Logis kaum bezahlen. Wer also Flexibilität von jungen Leuten einfordert, muss auch über eine Ausbildungsförderung ähnlich Bafög nachdenken. Nicht ohne Grund fordert das Handwerk eine Art Studententicket für Azubis. Denn selbst in NRW gibt es abgelegene Regionen, in denen Auszubildende gesucht werden. Wer vom Nachwuchs Flexibilität fordert, sollte Wege finden, die Berufsbilder attraktiver zu gestalten. Wer als Unternehmer Ausbildung fördert, tut etwas für die Auszubildenden – aber auch für seinen wirtschaftlichen Erfolg. BERICHT