Ungarns flagranter Rechtsbruch
Der Europäische Gerichtshof hat ein glasklares Urteil gesprochen, und zwar in letzter Instanz: Der im Sommer 2015 getroffene Beschluss, insgesamt 120.000 Flüchtlinge innerhalb der EU auf alle Mitgliedstaaten zu verteilen, war rechtens. Das ist ein wichtiges Signal – über den eigentlichen Gegenstand des Richterspruchs hinaus. Denn erstmals, seit die osteuropäischen Länder der EU beigetreten sind, werden nun einige von ihnen angehalten, einen Beschluss umzusetzen, gegen den sie sich mit aller Macht gesträubt haben. Eine Mehrheit der EU-Länder hat entschieden. So funktioniert Demokratie auch unter Staaten.
Dass ungarische Regierungspolitiker den Richterspruch nun als „politisch“verunglimpfen und seine Umsetzung einfach verweigern wollen, ist ein schwerwiegender Vorgang, auf den die EU mit aller Konsequenz antworten muss. Wenn Ungarns Premier Viktor Orbán , der aus innenpolitischem Kalkül auf Konfrontation setzt, mit diesem flagranten Rechtsbruch durchkäme, wäre das der Anfang vom Ende der EU. Am empörenden Mangel an Solidarität in der Flüchtlingskrise wird das Urteil indes nicht viel ändern. Ungarn ist bei Weitem nicht das einzige Land, das sich aus der Verantwortung stiehlt. BERICHT UNGARN IGNORIERT FLÜCHTLINGSURTEIL, TITELSEITE
FVerfehlte Angleichung
ast 30 Jahre nach der Einheit ist es nicht zu früh sich einzugestehen: Die wirtschaftliche Angleichung Ostdeutschlands an den Westen ist nicht vollständig gelungen, und sie wird absehbar auch nicht mehr gelingen. Die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung des Ostens stagniert mindestens schon seit dem Jahr 2010 bei nur 73 Prozent des West-Niveaus. Die daraus resultierende Einkommenslücke wird dauerhaft auch in Zukunft über die Transfersysteme ausgeglichen werden müssen.
Der Wunsch nach einem Ende der Ost-Hilfen wird unerfüllt bleiben müssen. Eine Ahnung davon, was drohen könnte, würde der Ausgleich verringert werden, liefert der ohnehin schon viel zu hohe Zulauf zu rechtsextremen Bewegungen und die schlimme Häufung fremdenfeindlicher Übergriffe im Osten.
Mit der Bund-Länder-Finanzreform, die den Solidarpakt ab 2020 ablöst, wird es also nicht getan sein. Zusätzlich wird es für strukturschwache Regionen in Ost und West ein neues, besonderes Fördersystem in Milliardenhöhe geben müssen, von der die Ost-Länder dann besonders profitieren können. POLITIK
Wie bei Heinrich VIII.
Der Frauenfeind und englische König Heinrich VIII. hatte einst vom Parlament absolutistische Vollmachten erhalten, um dem Land eine neue Konfession zu geben. An diesen Akt fühlen sich nun Gegner der Gesetzgebung der aktuellen Premierministerin Theresa May erinnert.
Um den Ausstieg der Briten aus der EU zu beschleunigen, will sich die bislang glücklose Lady ein weitreichendes Mandat für rund 20.000 Neuregelungen geben lassen, die die bisher gültigen EU-Gesetze ersetzen sollen. Das älteste Parlament der Welt wäre mit Mays Großem Aufhebungsgesetz („Great Repeal Bill“) bei EU-Fragen faktisch entmachtet.
Man kann nur hoffen, dass die britische Regierungschefin ihr antidemokratisches Machwerk nicht durch das Parlament bekommt. Das wäre gleichzeitig ihr Ende als Premierministerin. Aber angesichts der Hektik und Inkompetenz, mit der sie den Brexit betreibt, wäre es kein allzu großer Verlust. Sicher ist: Die unselige Entscheidung vom 23. Juni 2016 hat das große Land aus dem Tritt gebracht. Der Scherbenhaufen wird mit jedem Tag größer. BERICHT