Kaum Mittel gegen Kim
PJÖNGJANG Die gute Nachricht zuerst: Es wird keinen zweiten Korea-Krieg geben. Anders als von 1950 bis 1953, während des Ersten Koreakrieges, ziehen die Großmächte USA, Russland und China strategisch, also grundsätzlich, am selben Strang. Sie wollen – unabhängig von Trumps aufgeblasener Kriegsrhetorik – die Konfrontation untereinander vermeiden.
Nun die schlechte Nachricht. Nordkorea bleibt so gut wie sicher Atommacht. Es rächen sich die Fehler der Vergangenheit. Begangen wurden sie vornehmlich von China, Russland und den USA, aber auch der (schein-)heiligen Kuh namens Uno beziehungsweise der Internationalen Gemeinschaft. Diese wird zwar so genannt, ist jedoch leider nur international – und nie wirklich eine Gemeinschaft. Wenn sie etwas kennzeichnet, dann sind es Wortreichtum und Handlungsarmut.
China hat Nordkorea lange als regionale Marionette geschützt und benutzt. Längst hat die sich aber verselbständigt. Jetzt ergeht es Peking wie dem Zauberlehrling. „Die Geister, die ich rief, werd’ ich nun nicht los“. Nordkorea kann zwar vor allem von China ausgehungert und in die Armut getrieben, doch als Atommacht eben nicht vernichtet werden. Die Kim-Clique kann den staatlichen Totalschaden überleben, auch wenn das ihr gleichgültige Volk massenweise sterben würde.
Ähnlich wie China ergeht es Russland. Erst hat die Sowjetunion, dann das neue Russland Kim und Co. Knowhow sowie nicht zuletzt wesentliche Bestandtei- le für sein Atomarsenal geliefert. Nun tanzt Kim auch nicht mehr nach der Pfeife Moskaus. Und erst recht nicht nach der Washingtons.
Im Juni 1993 hatte US-Präsident Bill Clinton Nordkorea noch gedroht. Sollte es Atomwaffen einsetzen, müsse es mit einem Angriff Amerikas rechnen. Es kam weder zum einen noch anderen, sondern 1994 zu einem ethisch und militärisch auf den ersten Blick überzeugenden Deal. Pjöngjang erklärte sich bereit, sein Atomwaffenprogramm einzufrieren. Als Gegenleistung sagte Washington den Bau von zwei Leichtwasserreaktoren zu und lieferte der hungernden Bevölkerung Nordkoreas Lebensmittel. Das Abkommen hatte einen Haken: Nordkorea hielt es nicht ein.
Der Grund ist relativ einfach zu erklären. Die Kims haben im Laufe der vergangenen Jahrzehnte eins gelernt: Wer Atomwaffen besitzt, ist von außen unangreifbar. Wer auf sie von sich aus verzichtet, ist strukturell verletzlich oder gar dem Untergang geweiht. Der irakische Diktator Saddam Hussein wurde nach dem Zweiten Golfkrieg atomar entwaffnet, rüstete (wahrscheinlich) nicht mehr auf – und wurde im Dritten Golfkrieg 2003 von den USA und ihren wenigen Verbündeten gestürzt. Der libysche Diktator Gaddafi hatte 2004 auf Atomwaffen verzichtet – und wurde 2011 von Frankreich, Großbritannien und den USA gestürzt. Die Ukraine hat 1994 im Budapester Abkommen atomar abgerüstet und erhielt dafür von den USA, Großbritannien und Russland Grenzbestandsgarantien. Wie wirksam diese Garantien sind, bewies die Krim-Annexion sowie die folgende faktische Einverleibung der OstUkraine durch Russland.
Seit 2015 jubelt die Welt, der Iran habe nuklear abgerüstet. Die Friedenspolitik der Uno-Vetomächte USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich sowie Deutschland trage Früchte. Doch wer jubelt, irrt. Das iranische Atomprogramm wurde für 15 Jahre eingefroren. Das nukleare Wissen und die atomare „Ware“bestehen fort.
Zu fragen ist zudem, ob die grauenhafte, doch berechenbare Diktatur Nordkoreas, atomar oder konventionell bewaffnet, Ostasien und der Welt gefährlicher ist als die faktische und unberechenbare Atommacht Iran. Zu fragen ist auch, ob Nordkorea gefährlicher ist
Die Kim-Clique kann den staatlichen
Totalschaden Nordkoreas überleben