Schwarz-Gelb-GrünimBund? RWE-Aktie stürzt ab
Kanzlerin Merkel bekräftigte unterdessen ihren Regierungsanspruch. Sie kündigte an, zuerst mit der CSU und dann mit FDP und Grünen über eine Regierungsbildung zu reden. Erste Sondierungsgespräche werden frühestens in der kommenden Woche erwartet. Spekulationen über eine Neuwahl erteilte Merkel dagegen eine klare Absage. „Jedes Spekulieren auf irgendeine Neuwahl ist die Missachtung des Wählervotums“, betonte sie.
Die Unions-Verluste seien „auch mit mir verbunden als Person. Und zwar ganz offensichtlich“, gestand Merkel. Die Bundesregierung habe in der Flüchtlings- und Migrationspolitik eine große Entwicklung gemacht, zugleich aber noch viel Arbeit vor sich. Herausforderungen durch illegale Migration und Probleme in ländlichen Räumen und sozialen Brennpunkten seien nicht gelöst, das habe zu Stimmengewinnen für die AfD geführt. Fehler im Wahlkampf sah Merkel dagegen nicht.
Gestern kursierte zunächst das Gerücht, CSU-Chef Horst Seehofer wolle als Konsequenz aus dem Siegeszug der AfD die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU aufkündigen. Dies wurde zwar schnell dementiert, aber wie unsere Redaktion aus CSU-Kreisen erfuhr, will die CSU mit der Schwesterpartei zunächst klären, „was für eine Union wir sein wollen“. Dabei gehe es auch um die Wert- und Nationalkonservativen, die von der AfD zurückgeholt werden müssten. Es gehe um viel mehr als die eigene Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge, die Merkel ablehnt. „Man kann nicht in eine Sondierung gehen, wenn CDU und CSU hier nicht eine einvernehmliche Position haben“, sagte Seehofer. Seine Partei wolle nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sondern „in aller geschwisterlichen Freund- schaft“mit der CDU über den künftigen Kurs sprechen.
Auf den Vorschlag Seehofers hin soll heute der bisherige Verkehrsminister Alexander Dobrindt zum neuen Landesgruppenchef der CSU gewählt werden. Die von 56 auf 46 Mitglieder geschrumpfte CSUGruppe im Bundestag kommt morgen in der bayerischen Landesvertretung zur Konstituierung zusammen. Für den Nachmittag ist der erste Zusammentritt der gesamten Unionsfraktion geplant. Die bisherige Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt hatte nicht erneut für den Bundestag kandidiert.
Die FDP konstituierte sich gestern bereits als erste Bundestagsfraktion. Sie besteht aus 80 Abgeordneten, die als erste Amtshandlung Parteichef Christian Lindner einstimmig auch zum Fraktionsvorsitzenden wählten. Sollte Lindner später ein Ministeramt übernehmen, würde die FDP-Fraktion zum Jahresende hin einen anderen Vorsitzenden bestimmen. BERLIN (anh) Die Wirtschaft reagierte besorgt auf den Wahlausgang. Volkswagen-Chef Matthias Müller nannte das Ergebnis der AfD schockierend und sprach von einem historischen Einschnitt. Mit der AfD habe es eine national-populistische Partei ins Parlament geschafft, bedauerte Siemens-Chef Joe Kaeser. „Das ist auch eine Niederlage der Eliten in Deutschland.“
Die Aussicht auf eine Jamaika-Koalition setzt vor allem RWE zu. Die Aktie des Energiekonzerns brach um über fünf Prozent auf 19 Euro ein und war größter Verlierer im Dax. Anleger fürchten neue Stilllegungen. Denn die Grünen wollen nur in eine Koalition gehen, wenn es Fortschritte beim Klimaschutz gibt. Und der dürfte die BraunkohleKraftwerke im rheinischen Revier treffen. RWE ist der größte Emittent von Kohlendioxid in Europa. Eine Koalition aus Union, FDP und Grünen wäre auf den ersten Blick nicht das beste Szenario, es bringe Unsicherheit von der Wirtschafts- bis zur Europapolitik, erklärte Ulrich Kater, Chefökonom der Dekabank.
Noch mehr als Jamaika schreckt die Wirtschaft aber lange Unsicherheit. „Monatelange Koalitionsverhandlungen bedeuten Stillstand und für die Wirtschaft eine Phase der Ungewissheit“, warnte Handwerks-Präsident Hans Peter Wollseifer. Der Industrie- und Handelskammertag forderte einen Koalitionsvertrag für mehr Investitionen und warnte vor Ausländerfeindlichkeit. Dies könne sich das Land nicht erlauben, man brauche Fachkräfte von außen.