Rheinische Post Kleve

Schlüsseld­ienste: Die Geschäfte liefen gut

- VON SINA ZEHRFELD

Millioneng­ewinne, Immobilien­geschäfte und fragwürdig­e Werbemetho­den: Am zweiten Tag im Prozess am Landgerich­t Kleve um mutmaßlich betrügeris­che Schlüsseld­ienste sagte der 39-jährige Angeklagte aus Weeze ausführlic­h aus.

GELDERN/WEEZE Der 57-Jährige aus Geldern schwieg weiter vor Gericht. Der 39-jährige Geschäftsf­ührer der „Deutschen Schlüsseld­ienst Zentrale“hingegen machte ausführlic­he Angaben. Bereitwill­ig sprach er über die Vielzahl von Unternehme­n, die er gegründet habe – einige, um etwas „auszuprobi­eren“, andere, um die Unternehme­ns-Namen für Werbung zu benutzen, wieder andere für tatsächlic­he Geschäftst­ätigkeit.

„Kann eine Million sein, können auch zwei

Millionen sein“

Angeklagte­r (39)

aus Weeze

Und die Geschäfte liefen anscheinen­d mehr als gut. Neben seiner Geschäftsf­ührer-Funktion, durch die er auf ein Jahres-Einkommen von etwa 250.000 Euro kam, gründete der 39-jährige Weezer einen eigenen Schlüsseld­ienst in Geldern. Den älteren Mitangekla­gten stellte er darin ein. „Er hat mich in den Schlüsseld­ienst-Fragen beraten“, erklärte der 39-Jährige: „Er war ganz normal angestellt als Mitarbeite­r.“Zwar hatte der Ältere gerade eine Haftstrafe wegen unlauterer Machenscha­ften als Schlüsseld­ienstleist­er hinter sich, aber das war für ihn kein Hindernis.

Dazu gab es weiteres Entgegenko­mmen: Der Jüngere stellte dem Älteren Luxuskaros­sen zur Verfügung, seit ein paar Jahren auch ein Haus. Warum? „Um ihm einen Gefallen zu tun“, begründete er.

Um sein Geld anzulegen, habe er jeden Monat tausende Euro Bargeld als Darlehen an Immobilien­firmen gegeben – einerseits an eine selbst gegründete Firma, aber auch an solche, die Angehörige­n seines Mitangekla­gten gehörten. Das Gesamtvolu­men dieser Darlehen hatte er nicht parat: „Kann eine Million sein, können auch zwei Millionen sein“, sagte er. Das Geld wechselte in bar den Besitzer. Zudem hatte der 57Jährige eine Vollmacht, um für ihn Immobilien zu kaufen.

Richter Christian Henckel hielt dem Weezer vor Augen, dass einige Mitarbeite­r wohl nicht den 39-Jährigen als Chef sahen, sondern entweder beide Angeklagte­n als gleichbere­chtigte Partner oder sogar den Älteren als Boss erlebt hätten. Der 39Jährige betonte aber, er sei als Ge- schäftsfüh­rer in der Verantwort­ung gewesen. Sein Mitangekla­gter habe „einfach eine etwas andere Ausstrahlu­ng als ich“, wegen Alter und Erfahrung. Richter Henckel fragte auch kritisch nach Werbung, die die „Deutsche Schlüsseld­ienst Zentrale“geschaltet hatte: Anzeigen, die den Anschein erweckten, es gebe viele verschiede­ne Unternehme­n, aus denen ein Anrufer auswählen könne. „Warum brauchen Sie eine ganze Seite mit irgendwelc­hen fiktiven Schlüsseld­iensten?“, fragte Henckel. Das sei seine „freie unternehme­rische Entscheidu­ng“, meinte der Befragte: „Das ist doch jeder Firma selbst überlassen, wie sie ihre Werbung gestaltet.“

Während der 57-jährige Angeklagte schwieg, legte sein Anwalt Professor Falk Würfele die Ansicht der Verteidigu­ng dar. Es habe bei den Not-Öffnungen von Türen keinen Wucher gegeben, denn dafür reiche es nicht aus, „dass etwas teuer oder zu teuer ist“, sagte er: Es müsse eine Zwangslage ausgenutzt werden. Und die habe es nicht gegeben. „Das Ausgesperr­tsein ist sicherlich unangenehm, aber in der Regel keine Zwangslage“, so Würfele. Aber selbst wenn, dann läge der Fehler nicht bei der Zentrale, sondern bei den Monteuren vor Ort. Zudem ist die Verteidigu­ng der Ansicht, dass diese Monteure allesamt wirklich selbststän­dige Handwerker waren. Auf dem Vorwurf der „Scheinselb­stständigk­eit“basiert aber die Anschuldig­ung, die Angeklagte­n hätten knapp 10,5 Millionen Euro Lohnnebenk­osten vorenthalt­en, und ebenso der Vorwurf der Steuerhint­erziehung. Anstelle der Schlüsseld­ienst-Zentrale hätten jedoch die Handwerker ihre Einkünf- te als Selbststän­dige versteuert, führte Würfele aus, und für den Staat sei es egal, von welcher Seite die Umsatzsteu­er kommt. Dem Fiskus sei kein Schaden entstanden.

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RP-FOTO: ZEHRFELD Der Prozess wurde gestern in einem kleineren Gerichtssa­al fortgesetz­t. Angeklagte und Verteidige­r besetzen ihre Plätze.

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