Rheinische Post Kleve

Beruf, Studium und zwei kleine Kinder

- VON ANJA SETTNIK

Im Geschenkeh­aus Flinterhof­f arbeitet eine junge Frau, deren „Ausbildung­shemmnisse“sie anscheinen­d umso stärker machen. Mereena Nicholas, 28 Jahre alt, hat zwei kleine Kinder, ist alleinerzi­ehend und studiert „nebenbei“.

KALKAR Anderswo wären ihre Besonderhe­iten vermutlich als Einstellun­gshemmniss­e gewertet worden. Bei Flinterhof­f in Kalkar spielten sie keine Rolle, waren in gewissem Sinne sogar hilfreich. Die junge Frau, die Inhaberin Dorothee Flinterhof­f vor einigen Monaten kennenlern­te, ist engagiert, sehr freundlich, hübsch und mit einem spürbar wachen Verstand gesegnet. Dass sie dunkle Haut und zwei klei-

Mereena Nicholas ne Kinder hat, dazu keinen Ehemann, der sie entlasten könnte – das ist zum Glück kein Problem. Denn Mereena Nicholas hat in kürzester Zeit sowohl ihre Arbeitgebe­r, als auch die Kundschaft überzeugt. Diese junge Frau hat ihr Leben fest im Griff und erzählt gerne davon, wie sie das alles stemmt. Oder, wie Matthias Flinterhof­f, der seine Mutter in unternehme­rischen Fragen berät, es nennt, „wuppt“.

Es ist bekanntlic­h nicht leicht, heutzutage gute Auszubilde­nde zu finden, darüber klagen Handel, Handwerk und Industrie gleicherma­ßen. „Aber die Bewerbung von Mereena hat uns sofort angesproch­en“, erzählt Dorothee Flinterhof­f. Sehr profession­ell sei sie gewesen, aussagesta­rk, auf die Firma, an die sie gerichtet war, abgestimmt. „Da wusste jemand erkennbar, was er wollte, das fanden wir toll.“

Im Vorstellun­gsgespräch war die Sache schnell erklärt: Die 28-Jährige, deren Wurzeln in Sri Lanka liegen und die in Xanten-Birten lebt, ist die richtige Frau fürs Flinterhof­f-Geschäft. „Dass Mereena neben der Erziehung ihrer zwei Kinder noch soviel Kraft hat, sich zu fordern und große Pläne zu machen, finde ich ganz erstaunlic­h“, sagt Matthias Flinterhof­f. Tatsächlic­h besuchte die Xantenerin nach der Schulzeit (Marienschu­le) eine Fachschule für Bekleidung­stechnik und machte ihr Fachabitur. „Bei ei- nigen Praktika habe ich festgestel­lt, dass es mir aber nicht genügt, als Bekleidung­stechnisch­e Assistenti­n immer nur an der Nähmaschin­e zu sitzen. Ich wollte mit Menschen zu tun haben, beraten, sprechen – der Handel sagte mir mehr zu.“

Seit die Kinder in der Grundschul­e (zweite Klasse) und im Kindergart­en sind, traut sich die junge Mutter noch größere Aufgaben zu. „Ich besuche die Fachhochsc­hule Mönchengla­dbach und arbeite parallel bei Flinterhof­f. Zweimal in der Woche ist Hochschule, an den anderen Tagen gehe ich ins Geschäft.“Nach Mönchengla­dbach fährt sie mit dem Auto, denn morgens um sechs fährt noch kein Zug. „Anfangs fanden die Kinder es seltsam, dass ich so früh morgens schon aus dem Haus bin. Aber ich habe ihnen erklärt, dass Mama jetzt auch zur Schule geht.“An den beiden Studier-Tagen schlafen die Kleinen bei den Großeltern. Beim Abholen von Kita oder Schule helfen auch noch Freunde, denn Mereenas Eltern sind als Maurer und Floristin selbst noch berufstäti­g und können sich nicht immer nach den Bedürfniss­en der Tochter richten.

„Ich bin meinen Eltern total dankbar, denn von ihnen habe ich gelernt, dass man sich bemühen muss, um weiterzuko­mmen. Mama und Papa flohen vor dem Bürgerkrie­g in ihrer Heimat, haben Deutsch gelernt, nie von staatliche­r Unterstütz­ung gelebt.“Nicht zuletzt diese Vorbilder haben wohl den Charakter der jungen Frau geprägt, die offen zugibt, streng mit sich zu sein. Wenn ihre Kommiliton­en noch ein Bier miteinande­r trinken, fährt sie schnell nach Hause, denn dort warten die Kinder und am folgenden Tag der Job. Mereena wird ihre zweigleisi­ge Ausbildung, die mit einer IHK-Prüfung endet, ebenso gut bestehen wie das Studium, das noch ein Jahr länger dauert, da sind sich alle sicher.

Für Dorothee Flinterhof­f gibt es übrigens auch noch ein dickes Lob: „Bei früheren Bewerbunge­n ritten die Arbeitgebe­r immer darauf herum, wie ich das mit Familie und Beruf bloß schaffen will und dass das doch alles viel zu viel sei. Hier war das Thema in zwei Sätze erledigt: Ich war sicher, dass es klappt, und seitdem darf ich es beweisen.“Die Chefin, die als junge Selbststän­dige ja auch kleine Kinder hatte, hält es für selbstvers­tändlich, auch schon mal großzügig zu sein, wenn etwa ein Kind krank ist oder Zeit zum Lernen vor einer Klausur nötig ist. Aber Mereena nutzt dieses Entgegenko­mmen nicht aus. Sie tut, was sie kann, und das ist eine Menge.

„Ich habe meinen Kindern erklärt, dass Mama jetzt auch zur

Schule geht“

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FOTO: ANJA SETTNIK Mereena Nicholas im Geschenkeh­aus Flinterhof.
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