Entschuldigung, Europa
US-Digitalkonzerne erobern mit ihren Angeboten auch Europa – und geraten dabei immer wieder mit Gesetzen in Konflikt. Nachdem der vermeintlich „alte Kontinent“lange Zeit tatenlos zugesehen hat, wehrt er sich nun immer häufiger.
BRÜSSEL In den Anfangsjahren lautete das Motto von Facebook „Move fast and break things“. Die Aussage war als Kampfansage gemeint, sie sollte die Geschwindigkeit betonen, mit der man sich entwickeln wollte. Und natürlich sollte es auch darum gehen, die bestehende Welt ein Stück weit zu zerstören, um etwas Neues, Besseres zu errichten.
Das Motto passt nicht nur zu Facebook, sondern auch zu den vielen anderen Gründungen, die im Silicon Valley groß geworden sind und inzwischen weltweit die Märkte umkrempeln und bestehende Geschäftsmodelle infrage stellen. Doch die Geschichten von der Genialität der Start-ups haben oft eine Kehrseite – und deshalb musste sich Mark Zuckerberg gestern den Fragen im EU-Parlament stellen. Denn das soziale Netzwerk steht seit Wochen wegen des Datenskandals in der Kritik. Das Firmenmotto hat man zwar längst geändert, doch Kritikern werfen dem Unternehmen genau dessen Folgen vor – dass man eben zu schnell gewesen ist und zu viel zerstört hat.
Und Facebook ist ja längst nicht das einzige Tech-Unternehmen, das in der Vergangenheit Probleme in Europa hatte: Google, Uber, Airbnb – die Liste der Digitalunternehmen, die weltweit die Märkte umkrempeln und dabei mit den Rechtsvorschriften in Europa kollidieren, ließe sich weiter fortsetzen. Dass es inzwischen Konzepte wie die Datenschutzgrundverordnung gibt oder über eine Digitalsteuer diskutiert wird, ist daher auch Folge der Skandale der US-Digitalkonzerne in der Vergangenheit. Eine Übersicht. Facebook Momentan steht das soziale Netzwerk wegen des Skandals um Cambridge Analytica im Fokus. Das britische Unternehmen soll Daten von Facebook-Nutzern verwendet haben, um damit den US-Wahlkampf zugunsten von Donald Trump zu beeinflussen.
Doch das ist ja längst nicht der einzige Punkt, bei dem sich Facebook in Diskussionen mit Behörden befindet. Immer wieder geht es darum, wie das Unternehmen mit kritischen Inhalten umgeht, mit Be- schimpfungen, Beleidigungen, kurzum: mit Hassrede, wie es im Facebook-Jargon heißt. Das Thema beschäftigt Bundes- und Europapolitiker, die klar machen, dass sie Lösungen erwarten.
Doch die sind bei Facebook oft nur Folge von Druck. Der österreichische Datenschützer Max Schrems musste Einsicht in seine Daten gerichtlich erstreiten – und als Facebook den MessengerDienst Whatsapp übernahm, behauptete das Soziale Netzwerk, es sei nicht möglich, einen automatischen Abgleich der Benutzerkonten beider Unternehmen einzurichten. Die EU-Wettbewerbshüter fanden heraus: Es ging doch und verhängten 110 Millionen Euro Bußgeld gegen Facebook. Und Facebook? Entschuldigte sich.
„Letztes Jahr haben Sie sich zweimal entschuldigt, dieses Jahr schon dreimal – und es ist erst Mai“, scherzte der EU-Politiker Guy Verhofstadt bei der Befragung, ergänzte dann aber sehr ernst: Zuckerberg solle sich überlegen, wie man sich an ihn erinnern solle, als einen der drei größten digitalen Vordenker neben Microsofot-Gründer Bill Gates und Apple-Gründer Steve Jobs – „oder als Genie, das ein digitales Monster erschaffen hat“? Google Auch mit dem zweiten großen US-Digitalkonzern, dem Suchmaschinenbetreiber Google, hatten europäische Politiker schon so manche Auseinandersetzung. Zum Beispiel bei der Einführung des Kartendienstes Streetview. Zwischen 2008 und 2010 fuhren dafür Kamerawagen durch die Städte, um Straßenzüge und Häuserfronten zu fotografieren. Schon das störte viele Menschen, so dass Google nach öffentlichem Druck eine Möglichkeit bot, Häuser verpixeln zu lassen. Doch dann kam raus: Google zeichnete parallel auch Daten über verfügbare W-Lan-Netze inklusive Inhalten auf.
Der zuständige Hamburger Datenschutzbeauftragte stellte zwar fest, dass Google „unbefugt personenbezogene Daten erhoben und gespeichert hat“, die Strafe von 145.000 Euro dürfte den Konzern, der Milliarden-Gewinne macht, aber kaum geschmerzt haben.
Es war nicht die letzte Auseinandersetzung für Google. Zuletzt sorg- te eine Entscheidung der EU-Kommission für Schlagzeilen. Wegen Missbrauchs der Marktmacht bei Preisvergleichsdiensten brummte man dem US-Konzern eine Strafe von 2,42 Milliarden Euro auf. Zuletzt wurde außerdem eine Digitalsteuer diskutiert, um die Steuervermeidungsstrategien der US-Konzerne einzudämmen.
Der Fahrdienstvermittler war mit einer Bewertung von 70 Milliarden Dollar zeitweise das wertvollste Start-up der Welt. Die Hoffnungen, die Investoren mit Uber verbanden, waren gewaltig – immerhin machten sich die Kalifornier daran, den weltweiten Taxi-Markt zu „disrupten“, wie es in der Gründerszene so schön heißt. Private Fahrer konnten über die Plattform Fahrgäste befördern und damit Geld verdienen. Der Preis war dabei niedriger als für eine Taxi-Fahrt. Und bei jeder Vermittlung verdiente Uber eine Provision.
Einziges Problem: In vielen Ländern verstieß Uber mit seinen Angeboten gegen geltendes Recht, auch in Deutschland. Doch das war Uber anfangs egal. Ein paar Jahre, etliche Skandale und zahlreiche Niederlagen vor Gericht später hat das Startup nicht nur einen neuen Chef, sondern auch einen demütigeren Ton. Uber gibt es zwar immer noch in Deutschland, aber inzwischen hält sich das Unternehmen an die Gesetze. Airbnb Das Unternehmen Airbnb bringt es mit seinem Konzept, privaten Wohnraum über die eigene Plattform an Touristen, Geschäftsreisende und Co. zu vermitteln, auf eine Bewertung von 30 Milliarden Dollar. Investoren lockte die Aussicht auf hohe Gewinne ohne große Risiken – denn anders als Hotelketten gehörten die Unterkünfte Airbnb nicht selbst.
Doch je beliebter das Modell bei den Nutzern wurde, desto unbeliebter wurde es in vielen Städten. Denn Airbnb-Appartments ersetzten vielerorts privaten Wohnraum, speziell in teuren und beliebten Metropolen, wo dieser sowieso knapp ist. Gleichzeitig zahlten offenbar viele Airbnb-Vermieter keine Übernachtungssteuern an die Kommunen. Damit wurde das Thema ein Fall für die Finanzämter, aber auch für die Politik. In NRW machte sich die SPD etwa dafür stark, stärker gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum vorzugehen. Erst als der Druck größer wurde, ging Airbnb auf die Kommunen zu. Mit Dortmund einigte man sich beispielsweise darauf, die Bettensteuer direkt einzuziehen und an die Stadt abzuführen.