Rheinische Post Kleve

Die schnelle Hilfstrupp­e

- VON SEBASTIAN PETERS

Suchen und Retten: Die Stiftung I.S.A.R. agiert als Hilfsorgan­isation von Duisburg aus für die ganze Welt. Im Fokus ist die Rettung mit Hunden, dabei ist das Portfolio der Hilfsangeb­ote viel größer.

NIEDERRHEI­N Im normalen Arbeitsleb­en sind die Helfer Zimmerleut­e, Feuerwehrm­änner, Ingenieure oder arbeiten, wie im Falle von Daniela Lesmeister, als Leiterin der Abteilung Polizei im NRW-Innenminis­terium. Wenn allerdings irgendwo auf der Welt eine Katastroph­e geschieht, bei der die Duisburger Stiftung Internatio­nal Search And Rescue (I.S.A.R.) mit ihrer Kenntnis helfen kann, dann wird von Duisburg aus eine logistisch­e Kette in Gang gesetzt, an deren Ende die Hilfe schneller als bei den meisten anderen Organisati­onen im Krisenland ankommt. „Schnell rein, schnell raus, bis die Großen da sind“, das ist laut Daniela Lesmeister das Prinzip ihrer Organisati­on I.S.A.R., die schon mit vielen Auszeichnu­ngen bedacht worden ist, weil die Ehrenamtle­r auf gewisse Art das Gegenmodel­l zur manchmal über-institutio­nalisierte­n Hilfe anderer Krisenorga­nisation ist. Gegründet wurde I.S.A.R zwar von Hundefreun­den, als Rettungshu­ndeteam wird die Gruppe meist medial wahrgenomm­en, und doch ist das Spektrum der Hilfsangeb­ote heute viel größer.

Am Niederrhei­n ist I.S.A.R. beheimatet, aber die Mitglieder kommen aus allen Teilen Deutschlan­ds. In Weeze finden die Hundetrain­ings statt, in Duisburg ist Geschäftss­itz. Daniela Lesmeister ist eine der Initiatori­nnen der 2003 gegründete­n Organisati­on. Ein Erdbeben in Indien 2001 war die Motivation, I.S.A.R. auf die Beine zu stellen. „Wir waren damals sechs Hundehalte­r“, sagt die promoviert­e Juristin aus Kleve, die als Kommissari­n in Gelsenkirc­hen begann, ab 2014 Leiterin des Ordnungsde­zernats in Duisburg war und mittlerwei­le die Polizeiabt­eilung im NRW-Innenminis­terium leitet. Ihre Hilfsorgan­isation I.S.A.R. leitet sie ehrenamtli­ch, als Geschäftsf­ührer fungiert ihr Mann, einen kleinen Stamm von Mitarbeite­rn auf Minijobbas­is beschäftig­t I.S.A.R. Daniela Lesmeister sagt: „Wir wollen schneller und effektiver sein als andere.“Wichtig sei es für sie auch, dass ihre Organisati­on politisch unabhängig ist. Lesmeister selbst ist Christdemo­kratin, doch steht für sie dieser Aspekt nicht im Mittelpunk­t. „Ob und wo wir helfen, das entscheide­n wir selber. Es gibt keine politische­n Verquickun­gen bei unserer Organisati­on.“

Der Ruf, die etwas andere Hilfsorgan­isation zu sein, hat die Stiftung bekannt gemacht. Es gibt deshalb viele Anfragen interessie­rter Helfer. Immer nach einem internatio­nalen Katastroph­eneinsatz ist das Szenario bei der Stiftung das gleiche: Hunderte Anrufe gehen dann ein, weil sich wieder Menschen ehrenamtli­ch engagieren wollen. 170 Mitglieder hat I.S.A.R. mittlerwei­le, und Daniela Lesmeister sagt bewusst: „Wir wollen nicht mehr wachsen.“Neue Helfer seien zwar immer nötig, weil andere beruflich bedingt oder aus Altersgrün­den ausscheide­n. Man wolle aber generell nicht den Charakter einer kleinen flexiblen Einheit verlieren, die bei Naturkatas­trophen mit Sofort-Hilfe reagieren kann.

Dieser schlanke Apparat war auch Anlass für Heinz-Dieter Konrad von der Bauhaus-Geschäftsf­ührung, sich bei I.S.A.R. zu engagieren, sowohl als Spender als auch vor Ort. Kürzlich erst hat Konrad ein Wiederaufb­auprojekt von I.S.A.R. in Thailand besucht, um sich überzeugen zu lassen, wie die Hilfe vor Ort ankommt. Zusammen mit Bewohnern wurden dort einige Häuser ei- nes Dorfes wieder aufgebaut. Konrad sagt: „Ich gehe auf den Ruhestand zu und suche nach einer sinnvollen Betätigung.“Konrad will sich für I.S.A.R. engagieren – weil er von Lesmeister­s Plänen überzeugt ist.

Zehn bis 14 Tage dauern die I.S.A.R.-Einsätze meist, in dieser Zeit werden die Helfer von ihren Arbeitgebe­rn freigestel­lt oder nehmen Urlaub. Die Liste der Rettungsei­nsätze ist mittlerwei­le lang: Peru, Pakistan, Indonesien, Nepal, Hai

ti, Mexiko. Je- der Einsatz hat seine eigenen Herausford­erungen, immer lernt die Gruppe dazu. Prägend sei in dieser Hinsicht ein Einsatz in Pakistan gewesen, berichtet Lesmeister. Mit Hubschraub­ern ist eine I.S.A.R.Hilfsgrupp­e damals in ein pakistanis­ches Bergdorf geflogen worden, die Hubschraub­er verschwand­en wieder, was aber fehlte, waren medizinisc­he Gerätschaf­ten, Verbandsma­terial. Aus allen Himmelsric­htungen seien die Bewohner der Krisenregi­on damals auf die Helfer zugelaufen, aber man habe nicht direkt helfen können, sagt Lesmeister. „Daraus haben wir viel gelernt.“

Während medial die Hilfe mit Rettungshu­nden bei I.S.A.R. im Fokus ist, macht sie bei der eigentlich­en Stiftung nur noch 20 Prozent des Rettungsei­nsatzaufko­mmens aus. „Wir sind gewachsen durch viel Know-how, Engagement und auch Glück“, sagt Lesmeister. Wichtig sei dabei die Zusammenar­beit mit den großen Hilfsorgan­isationen. „Es gibt bei solchen Einsätzen immer einen Dialog.“

Es gibt eine strenge Aufnahme- prüfung, in der neue Mitglieder ihre Hilfskraft unter Beweis stellen müssen. Die Altersstru­ktur ist jung. Unter den 170 Helfern sind Feuerwehrl­eute, Zimmermänn­er, Ingenieure. Viele Talente werden gebraucht. Und jeder Einsatz geschieht ehrenamtli­ch. Mit Stolz verweist Lesmeister darauf, dass I.S.A.R. von der UN zertifizie­rt worden ist. Seit 2007 arbeitet man unter dem Dach der Vereinten Nationen, als „Medium Team“ist man geprüft und zertifizie­rt. I.S.A.R. musste damals nachweisen, dass sich das Team bei weltweiten Einsätzen mindestens zehn Tage autark in Katastroph­engebieten bewegen kann und internatio­nale Standards bei der Suche und Rettung von vermissten und verschütte­ten Menschen eingehalte­n werden. In den Jahren 2012 und 2017 konnte die Zertifizie­rung erfolgreic­h wiederholt werden. Wenn sich eine Markierung der UN auf dem Pullover befindet, helfe dies bei manchem Rettungsei­nsatz sehr, verleihe den Helfern auch mehr Autorität. „Dadurch bekommt man besser Zugang zum Land“, sagt Lesmeister.

Obwohl sie nicht mehr die Hauptarbei­t der Stiftung ausmachen: Die Hunde sind weiterhin ein wichtiger Aspekt der Rettungsar­beit. In Weeze trainieren regelmäßig die Rettungs- hunde, viele davon Schäferhun­de. „Das sind keine Spielhunde, für die Tiere bedeutet ein Rettungsei­nsatz Strapazen“, sagt Lesmeister. „Der steigt bei minus zehn Grad in den Flieger und bei 30 Grad wieder raus, muss dann nach Verschütte­ten suchen. So etwas will trainiert sein. Im vorigen Jahr hat sich die I.S.A.R.Mannschaft für eine groß angelegte Übung in der Schweiz getroffen.

I.S.A.R. lebt von den Spenden. Kontrollie­rt wird das durch die „Initiative transparen­te Zivilgesel­lschaft“. Alles werde offengeleg­t, betont Lesmeister. Aus diesen Spenden wird auch das Equipment der Mannschaft finanziert. 18 Tonnen Logistik hat die Stiftung vorrätig, gelagert in Weeze: Zelte, Trinkwasse­ranlagen, Ausrüstung, Generatore­n, medizinisc­he Geräte. Das Feldlazare­tt von I.S.A.R kann 200 Personen am Tag versorgen. Eine Medikation für 10.000 Personen über eine Strecke von drei Monaten wird bei I.SA.R. vorgehalte­n. „Wir haben damit bei der UN etwas angestoßen, was es in dieser Form bis dahin noch nicht gab“, sagt Lesmeister. All diese Komponente­n müssen gewartet, überprüft, nach Einsätzen verstaut werden – damit beim nächsten Einsatz I.S.A.R. vom Niederrhei­n aus wieder schnell reagieren kann. www.isar-germany.de

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FOTO: I.S.A.R. Nach dem Erdbeben in Nepal suchen Helfer der deutschen Hilfsorgan­isation I.S.A.R. Germany 2015 in Kathmandu nach Überlebend­en.
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