Wohin rollst du, Äpfelchen . . .
Sie dürfen nicht glauben“, fuhr der Direktor fort, „dass die Anstalt die Absicht hat, dauernd auf Ihre Sprachkenntnisse und auf Ihre praktische Erfahrung im Korrespondenzfach zu verzichten. Das ist, wie ich Ihnen versichern kann, nicht der Fall. Man wird Sie im Auge behalten. Melden Sie sich morgen oder übermorgen zum Dienstantritt bei Ihrem neuen Chef, dem Herrn Prokuristen Schödl, und überlassen Sie alles Weitere ruhig mir.“
Vittorin starrte mit einem hilflosen und verlegenen Lächeln an dem Direktor vorbei auf den grünseidenen Schirm der Schreibtischlampe. Der Verlauf dieser Unterredung stand in einem verwirrenden Gegensatz zu dem Plan, den er sich für sie zurechtgelegt hatte. Er war überzeugt gewesen, dass man ihn gleichgültig, geschäftsmäßig-kühl empfangen werde; dann wäre es ihm leicht gefallen, dem Direktor die gesicherte Lebensstellung hinzuwer- fen und das Geld, die Abfertigungssumme, die er haben musste, als sein gutes Recht zu verlangen. Dass aber der Direktor in solch einem wohlwollenden, ja beinahe freundschaftlichen Ton zu ihm redete und sogar seine Sprachkenntnisse mit Anerkennung hervorhob, das war eine Erschwerung der Situation, mit der er nicht gerechnet hatte. Konnte er unter solchen Umständen mit ein paar kurzen Worten seine Entlassung fordern? Doch, das Geld musste er haben, mit leeren Händen durfte er nicht gehen. Und nun schien der Direktor ungeduldig zu werden, er trommelte mit dem Bleistift auf die lederne Schreibtischmappe.
„Verzeihung“, sagte Vittorin mit einem plötzlichen Entschluss. „Ich bitte um Entschuldigung, dass ich Ihre kostbare Zeit noch weiter – ich bin genötigt – es fällt mir natürlich nicht leicht –“
Er stockte. Es war keine so einfache Sache, die richtigen Worte zu finden. Er nahm einen neuen Anlauf. – „Ich bin in Verlegenheit, ich weiß nicht, wie Sie es aufnehmen werden, Herr Direktor, aber die Umstände zwingen mich –“
Der Direktor lehnte sich zurück und sah ihm über die Brillengläser hinweg ins Gesicht.
„Na ja, ich kann mir ja ungefähr denken, wo Sie der Schuh drückt“, meinte er. „Merkwürdig, alle Herren, die aus dem Feld kommen, haben die gleichen Schmerzen. Es scheint keinem von ihnen gelungen zu sein, draußen an der Front irgendwelche Glücksgüter anzuhäufen. Na, schön. Der Verwaltungsrat hat mit Beschluss vom 17. August laufenden Jahres die Direktion ermächtigt, allen jenen aus dem Felde heimkehrenden Beamten, die Familienerhalter sind, eine einmalige Aushilfe in der Höhe dreier Monatsbezüge zuzuwenden. Sind Sie verheiratet?“
„Nein – das heißt, ich habe allerdings die Absicht – “Der Direktor machte eine ablehnende Handbewegung. – „Sie brauchen sich nicht zu beeilen“, sagte er. „Sie haben Zeit. – Ich kann Ihnen, da Sie nicht Familienerhalter sind, nur einen Vorschuss in der angegebenen Höhe bewilligen, den Sie vom ersten Jänner an in Monatsraten zurückzuzahlen haben werden. Gehen Sie hinauf in den zweiten Stock zum Doktor Weber –“
Die Telefonglocke läutete. Der Direktor nahm das Hörrohr in die Hand. „Hier Direktion der ,Mundus, internationale Speditions- und Lagerhausgesellschaft‘. – Ja, ich bin am Apparat. – Meine Verehrung, Herr Nußbaum. Gewiss, ich habe mir den Akt vorlegen lassen. – Nein, leider kann ich mir Ihren Standpunkt nicht zu eigen machen, wir sind bis an die äußerste Grenze des Entgegenkommens gegangen. – Ausgeschlossen.
(Fortsetzung folgt)