Wohin rollst du, Äpfelchen . . .
Nimm das Papierchen. Spring’ wie ein Hase und bring’ es zum Bataillonsstab!“Er erhob sich und reichte dem Rotarmisten das Papier. Auch Vittorin richtete sich auf. Und hinter zusammengepressten Zähnen zischte er:
„Sie wollen also nicht vorgehen? Sie haben Furcht. Mit Recht hat man Ihnen einen Weibernamen gegeben.“
Aber Ssonjetschka hörte ihn nicht. Ein Querschläger hatte ihn in die Hüfte getroffen. Seine Züge wurden schlaff, seine Hände tasteten nach dem Boden, und er sank in sich zusammen.
„Zum Bataillonsstab“, wiederholte er flüsternd. „Ich bin fertig, Genosse. Übernehmen Sie die Führung. Mit Munition sparen. Feuer nur erwidern, wenn mit Angriff ver- bunden. Die gegenwärtige Linie – –“
Er begann zu röcheln und versuchte, mit beiden Händen seinen Mantel aufzureißen. Dann fiel sein Kopf zurück, und er rührte sich nicht mehr. „Sanität!“schrie Vittorin. Aber weder der Feldscher noch sein Gehilfe waren zu sehen.
Der Rotarmist beugte sich über Ssonjetschka und öffnete ihm den Mantel und die Hemdbluse.
„Der braucht den Sanitäter nicht, Genosse“, sagte er. „Der wird bei keiner Hochzeit mehr tanzen. Sein Tag ist zu Ende.“
Und er machte sich daran, dem Toten die Stiefel auszuziehen. Die Kugel, die Ssonjetschka getroffen hatte, entschied das Schicksal der ganzen Rotte. Vittorin sprang vor die Front.
„Ich übernehme das Kommando“, rief er. „Genossen! Wir gehen vorwärts. Wir werden die Verräter drüben vernichten. Das proletarische Vaterland verlangt es, das proletarische Vaterland ist in Gefahr. Genossen! Rettet Russland!“
Keine Stimme antwortete dem Ruf. Die felderfahrenen roten Soldaten sahen das deckungslose Gelände vor sich, auf dem der Feind jede, auch die geringste Bewegung wahrzunehmen vermochte. Dennoch gehorchten sie. Schweigend machten sie sich zum Sprung bereit.
„Bajonett auf!“kommandierte Vittorin.
Ein leises Klirren lief durch die Schützenlinie. Dann war Stille, nur die Kugeln sangen. Plötzlich aber kam aus der Reihe der Todgeweihten eine Melodie. Ein einzelner summte sie leise vor sich hin, andere fielen ein, sie wurde stärker, stieg empor wie ein Choral, und mit einem Mal sangen es alle: „Wohin rollst du, Äpfelchen, kommst nicht mehr zurück. Morgen in die Totenlisten schreibt man hundert Rotarmisten . . .“
„Vorwärts!“schrie Vittorin, und das Lied ging unter im Brausen und Bersten der Sperrfeuergranaten. Nur einem kleinen Teil der Vorwärtsstürmenden gelang es, durch dasVernichtungsfeuer hindurchzukommen. Auf dem halbenWeg zum Dorf brach der wahnwitzige Angriff zusammen. Von beiden Seiten umfasst, verteidigten sich die Rotarmisten eine Zeit lang hinter den Hecken und Bäumen eines kleinen Obstgartens. Als ihnen die Patronen ausgingen, zogen sie sich in ein zerschossenes Bauernhaus zurück, vor dessen Tür der Kadaver eines großen struppigen Hundes lag.
ERPELINO