Wiedersehen unter Sportsfreunden
40 ehemalige Tischtennisspieler des VfL Nierswalde kamen zusammen, um in Erinnerungen zu schwelgen. Vor zehn Jahren wurde die Abteilung aufgelöst, nun keimt der Sport langsam wieder auf.
Rudi Johann wirkt aufgeregt. Der 79-Jährige versucht lautstark, eine vierzigköpfige Gruppe in Richtung des anwesenden Fotografen zu drehen. „Bitte schaut alle mal in die Kamera“, sagt er. Doch seine Aufforderungen verpuffen wirkungslos. „Die haben sich eben viel zu erzählen nach all den Jahren“, wundert er sich nicht. Gemeinsam mit seinem Bruder Erwin und Werner Ruddat war es ihm gelungen, die Protagonisten 50-jähriger Tischtennisgeschichte zum gemeinsamen Frühstück im Vereinshaus des VfL Nierswalde zu versammeln. 2008 lief der Spielbetrieb aus, die Geschichten von damals aber leben weiter. Sie gehen bis ins Jahr 1953 zurück.
Im Siedlerdorf waren Freizeit-Aktivitäten für Jugendliche rar gesät. Eine Platte, ein Schläger und ein Ball waren aber schnell gefunden; so verschrieben sich viele dem Rückschlagsport.
„Ich habe 763 Spiele in 35 Jahren hinter mir. Und zwar alle in der ersten Mannschaft“
Werner Ruddat VfL Nierswalde
„Unser Antreiber, Motivator und eine natürliche Autorität zugleich war Fritz Freutel. Er hat uns für den Sport fasziniert“, sagt Johann. Der Sportlehrer und Kriegsverletzte konnte die Jugend bei Laune halten. „Trotz seiner Oberschenkel-Amputation spielte er ausgezeichnet. Wenn ein Ball schwer zu holen war, wechselte er einfach die Hand“, erinnert sich Johann. Erst spielten die Nachwuchs-Sportler in der Schule, dann im Feuerwehrhaus, später beim Verein für Leibesübungen. Pioniere waren die drei Gebrüder Johann, um die herum 1954 die erste Herrenmannschaft an den Start ging. Peter Augstein, Horst Metzner und Freutel selber komplettierten das Aufgebot. Zwar ist der ehemalige Pädagoge des Freiherr-vom-Stein Gymnasiums mittlerweile verstorben, sein Sohn aber trat für das Wiedersehenstreffen den weiten Weg aus Stuttgart an.
So werden alte Erinnerungen zum Leben erweckt und steigt Ruddat ins Wettbieten um die meisten Spiele an der Platte ein: „Ich habe 763 Spiele in 35 Jahren hinter mir. Und zwar alle in der ersten Mannschaft“, sagt er stolz. So sei Ruddat der „Sepp Maier des VfL“. Bruder Karl Ruddat schaffte 750, Dieter Tann und Erwin Johann brachten es zu 700 Partien. „Wir haben alle für unseren Sport gelebt. Da verschwanden wir auch schon einmal kurzerhand von der Taufe oder einer Hochzeit, wenn wir zu einem Meisterschaftsspiel mussten“, so Johann. An eine Anekdote erinnert sich Erwin Johann auch bis heute noch gerne: „Wir spielten in Elten und lagen zurück. Aus Wut trat ich gegen eine Wand, die aber deutlich stabiler war, als ich angenommen hatte.“Rasch bemerkte er dann, dass sein Zehnagel gespalten und der Schuh voller Blut war. „Ich habe aber zu Ende gespielt“, stellt er klar.
Jahrelang entwickelte sich die Tischtennis-Abteilung ausgezeichnet, zahlreiche Schüler-, Jugendund Seniorenmannschaften gingen an den Start. Doch dem kontinuierlichen Rückgang konnten die Sportler wenig entgegensetzen. Einerseits zog der Becker-Boom viele zum Tennis. „Das haben wir alle mal ausprobiert und hatten den Vorteil, dass wir mit unseren Tischtennis-Topspin-Schlägen die Gegner überrascht haben. Irgendwann gewöhnten sich die Tennisspieler jedoch an uns“, erklärt Rudi Johann. Andererseits stieg der Fußball in der Gunst auf, auch verließen viele jüngere Leute Nierswalde. 2008 musste der Spielbetrieb dann eingestellt werden, da es keine sechs Aktive mehr für ein Team gab. Einzelne schlossen sich den umliegenden Vereinen an. „Sicherlich stimmte uns das damals traurig. Vor allem, da mit diesem Verein so viele Erinnerungen verbunden sind. Wir waren eine große Gemeinschaft, das Verständnis untereinander war großartig“, so Ruddat.
Umso erfreuter beobachten sie nun, wie sich ihr Sport auch beim VfL wieder entwickelt. Unter der Leitung des Vorsitzenden Jürgen Meuser und Antje Janßen-Engler spielt der Nachwuchs wieder Tischtennis im Klub. „Diese Sportart gehört eben unbedingt zum VfL Nierswalde“, weiß Johann.